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072 - Auf Leben und Tod

072 - Auf Leben und Tod

Titel: 072 - Auf Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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Atorrn, um sich zu stärken und seine Kräfte zu sammeln, ehe er auf einem Yakk die letzte Etappe der Reise auf sich nahm.
    Das war sein Plan…
    Als der humpelnde Ostmann den letzten Hügelkamm erreichte, von dem aus sich ein weiter Ausblick über die Senke und das Lager bot, atmete er erleichtert auf.
    Endlich wieder ein wärmendes Feuer und gebratenes Fleisch. Auf die Gesellschaft anderer Ostmänner hätte Atorrn zur Not auch verzichten können - er hatte sich bis hierher allein durchgeschlagen, also war er auch jetzt nicht auf sie angewiesen.
    Er hatte auch nicht vor, den anderen mitzuteilen, von wo er kam und was seine Mission war. Zum einen fürchtete er, für sein Versagen verspottet zu werden.
    Zum anderen wollte er dem Meister der Erde allein begegnen.
    Der Meister war der Mittler zwischen Göttern und Menschen. Er würde wissen, welche Strapazen Atorrn auf sich genommen hatte, um ihn vor den Feinden zu warnen. Der Ostmann war inzwischen sicher, dass der Meister der Erde ihn nicht bestrafen, sondern im Gegenteil belohnen würde.
    Im Grund gab es ohnehin nur eines, das er sich wünschte - er wollte Rache.
    Rache für die Schmach, die man ihm angetan hatte.
    Rache für die Schmerzen, die er erlitten hatte.
    Rache an den Mördern seines Trupps…
    Auf Beinen, die unter ihm einzubrechen drohten, taumelte der Ostmann den Hang hinab, auf das große Tor zu, das in die Palisadenmauer eingelassen war. Ein ganzer Pulk von Wächtern hielt hier Wache. Als Atorrn in den Lichtkreis der Fackeln trat, die das Tor säumten, traten sie ihm sofort entgegen.
    »Wer bist du und was willst du?«, fragte der eine im Dialekt der Götter, den kein Mogoole beherrschte. Und auch bei den Ostmännern hatten nur Offiziere das Privileg, diese Sprache zu studieren - als gemeiner Soldat musste man sich die Brocken mühsam von deren Lippen klauben, wollte man die Göttersprache wenigstens halbwegs erlernen.
    Atorrn hatte immer danach gestrebt, den Göttern auf diese Weise nahe zu sein, und gute Fortschritte gemacht, »Mein Name ist Atorrn«, erwiderte er - dass er ein Ostmann war, konnte trotz der ledernen Maske, die einen Teil seines Gesichts verdeckte, jeder sehen. Die wulstigen Narben und Geschwulste waren unverkennbar. »Ich bin verletzt und brauche eine Lagerstatt für einige Tage.« Die Wachen ließen ihre Speere sinken, und Atorrn durfte passieren, fand sich im nächsten Augenblick inmitten des Lagers wieder.
    Obwohl er es nie zugegeben hätte, ermunterte ihn die Nähe seiner Kameraden.
    Dass sie alle denselben Göttern dienten, erfüllte ihn mit neuer Kraft. Er passierte schmale Zeltgassen, in denen Krieger herumlungerten, die sich mit gegorenem Beerensaft betranken oder an Feuern saßen und derbe Spiele spielten.
    Gerade wurde einem, der das Pech gehabt hatte, die falsche Kombination zu würfeln, der Schädel gespalten.
    Aus einigen Zelten drang schallendes Gelächter, in anderen waren im Widerschein flackernder Fackeln die Silhouetten unbekleideter Frauen zu sehen.
    Atorrns Instinkte sprachen an, und er beglückwünschte sich zu der Entscheidung, das Lager aufzusuchen. Hier würde er sich erholen und seine Wunden auskurieren können, ehe er seinen Weg zum Meister der Erde fortsetzte - und warum sollte er nicht auch ein wenig Spaß haben?
    Der Ostmann grinste breit.
    Seine Rache würde ihm niemand nehmen können, da war er sich ganz sicher.
    ***
    Das Zelt des Stammeshäuptlings Kublai Koruun verdiente diesen Namen eigentlich nicht - es war ein Palast.
    Es bestand nicht nur aus einem runden Zelt, wie die gewöhnlichen Nomaden sie bewohnten, sondern aus einem länglichen Hauptzelt und mehreren Nebenzelten, die daran angebaut waren und verschiedene Räume bildeten. Die Innenwände waren mit Teppichen und Tüchern behängt, die ihnen den Eindruck massiver Wände verliehen. Metallene Ständer, in denen kleine Feuer loderten, verbreiteten angenehmes Licht, und selbst auf dem sandigen Boden waren Teppiche ausgerollt worden, damit der Mongolenführer nicht über bloße Erde schreiten musste.
    »Gefällt mein Heim?«, wollte Kublai Koruun wissen, während er sich in einen kunstvoll geschnitzten Stuhl mit hoher Lehne fallen ließ, der mit Tierfellen bespannt war - offenbar eine Art Thron.
    »Ich bin beeindruckt«, gab Maddrax zu, der sich mit Aruula Koruun gegenüber setzte. »Es ist einem Anführer würdig.«
    Der Häuptling lachte geschmeichelt und klatschte in seine fleischigen Hände. Daraufhin kamen hinter einer der Stoffwände mehrere

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