072 - Auf Leben und Tod
Dienerinnen hervor, die Körbe mit Beeren und Karaffen voll Wein mit sich trugen.
Ihre dürftige Kleidung - sie waren nackt bis auf eine schmale Schärpe, die sie um ihre Hüften geschlungen hatten - und die Art, wie sie sich bewegten, ließen Matt darauf schließen, welche Stellung Frauen im Gesellschaftssystem der Mongolen einnahmen. Kein Wunder, dass diese Kerle so befremdet auf Aruulas Auftreten reagiert hatten…
Die Dienerinnen teilten Matt und seiner Gefährtin Wein aus und reichten ihnen von den Früchten. Beide probierten erst davon, nachdem Koruun sich ebenfalls bedient hatte - und dann auch nur kleine Mengen. Immerhin liefen sie Gefahr, dass die Beeren und der daraus gegorene Wein Nebenwirkungen hatten, von denen sie nichts wussten.
Kublai Koruun nahm es mit leisem Lachen zur Kenntnis. Er lehnte sich in seinem Thron zurück und betrachtete Matt und Aruula eine ganze Weile lang schweigend.
»Weshalb haben Sie uns hierher gebracht?«, wollte Matt schließlich wissen.
Koruun mochte alle Zeit der Welt haben - er und Aruula hingegen hatten in drei Tagen eine Verabredung einzuhalten.
Der Häuptling beugte sich vor. »Ihr keine Osnok, richtig?«
»Richtig.«
»Aber gemerkt, dass Osnok nahe?«
»Auch das stimmt.« Matt nickte.
»Die Osnok bewohnen den inneren Teil des Lagers, richtig? Den, der von Palisaden und Mauern umgeben ist.«
»Sind Leute von Golkhan. Nennt sich ›Golkhan der Große‹, aber nur Betrüger.«
»Ich verstehe«, erwiderte Matt - wie er schon vermutet hatte, waren sich die Mongolen und die Ostmänner einander nicht grün. Er beschloss nachzuhaken.
»Ihr befindet euch im Krieg mit Golkhans Leuten?«
Koruun lachte wieder. »Mogoolen immer Streit mit Osnok. Aber diesmal nicht kämpfen.«
»Warum nicht?«
»Weil einigen. Haben Handel. Altes Saakon… Gesetz der Vorväter.«
Matt nickte - allmählich begannen die Dinge einen Sinn zu ergeben.
Es gab also ein altes Gesetz, an das sich Mongolen - oder neubarbarisch
»Mogoolen« - wie Ostmänner gleichermaßen gebunden fühlten und das unter anderem Waffenhandlungen verbot.
Das erklärte die Ehrfurcht, die Aruula bei Keran und seinen Leuten gespürt hatte, ebenso wie die Aufregung, als die Barbarin ihr Schwert gezückt hatte. Jedoch schien dieses Verbot nur innerhalb der Senke zu gelten - außerhalb waren sie von Keran und seinen Leuten angegriffen worden…
»Wozu dient dieses Gesetz?«, wollte Matt wissen. »Und worüber habt ihr einen Handel geschlossen?«
»Kämpfen alten Kampf. Kampf um Macht. Kampf um Herrschaft.«
»Ein Kampf, der entscheiden soll, wer von beiden Stämmen mächtiger ist?«
»Maddrax klug.«
»Ein Kampf der Stämme also?«
»Nennen Kampf der Häuptlinge. Golkhan und ich kämpfen, wenn Zeit reif. So entscheiden, wer Volk führen.«
So war das also! Die Mogoolen und die Ostmänner hatten sich darauf geeinigt, in diesem Tal zusammenzukommen, um in einem Wettstreit herauszufinden, welches Volk das Überlegene war und welchem Anführer sie in Zukunft folgen sollten.
»Was geschieht, wenn du gewinnst?«, wollte Matt wissen.
»Dann Ostmänner abschwören ihren falschen Göttern. Leben wie wir in Freiheit.«
»Und wenn Golkhan gewinnt?«
Der Häuptling machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
»Nicht passieren«, presste er hervor.
»Aber was, wenn doch? Was geschieht dann?«
»Dann Mogoolen folgen Osnok auf großem Feldzug.«
»Ein Feldzug? Wohin?«
»In Land weit fort. Nennen es Nipoo.«
Nipoo… Japan! Matt stockte der Atem.
Also bereiteten die Ostmänner eine neue Invasion der japanischen Inseln vor, so wie sie es schon wiederholte Male praktiziert hatten. Und natürlich steckte kein anderer als der Weltrat dahinter, der das aufstrebende japanische Volk klein halten wollte. Was im Gegenzug zur Invasion der Japaner bei Los Angeles geführt hatte.
Matt und Aruula schauten sich betroffen an.
Was es bedeutete, wenn Mogoolen und Ostmänner ihre Streitmächte vereinigten und gemeinsam über Nipoo herfielen, brauchten sie sich nicht erst lange klar zu machen. Der vereinten Kampfkraft der Steppenvölker würden die Japaner nichts entgegenzusetzen haben.
Eine neue Völkerwanderung würde in Gang gesetzt, deren Auswirkungen auch auf der anderen Seite des Pazifik zu spüren sein würden.
Matts Züge verhärteten sich zu einer steinernen Maske.
Mit welchem Mitteln auch immer - sie mussten verhindern, dass es zu dieser neuerlichen Invasion kam. Und wenn es bedeutete, dass sie in den
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