072 - Das Horror Palais von Wien
»Aber wer spricht denn da?«
»Erkennst
du mich denn nicht… an der Stimme?«
»Nein.
Wer ist denn da? So nennen Sie doch Ihren Namen!«
»Ich
bin…«, die Anruferin brachte nichts über die Lippen. Wie ein Kloß würgte es ihr
im Hals.
»Hallo?«
tönte es aus dem Hörer. »Wer ruft denn da an? Haben Sie eine Nachricht für
mich?«
Die
Anruferin nickte, brachte aber keinen Ton mehr über ihre Lippen. »Ich bin’s,
Mutter…« wollte sie schreien, aber alles in ihr wehrte sich gegen diese
Mitteilung. »Ich bin’s… deine Tochter… erkennst du mich denn nicht an der
Stimme? Aber nein… das kannst du nicht… sie hat sich verändert… wie mein
Äußeres… ich weiß, wer ich bin… aber ich kann es nicht sagen… du wirst es mir
nicht glauben… ich bin’s… deine Tochter Sandra…«
●
Der
Mann in der hellen Cordhose und dem karierten Hemd saß in einem BMW 502. Das
Fahrzeug wurde von Peter Pörtscher alias X-RAY-11 gesteuert. Der Schweizer
PSA-Agent verfolgte konsequent seinen Plan. Spätestens seit dem Auffinden der
Spur jener schwarzhaarigen Frau in Genf, ging er gezielt vorwärts. In Basel,
Zürich und Genf war die Fremde mehrere Male in Erscheinung getreten. Sie zeigte
ein ausgesprochenes Interesse für Antiquitätengeschäfte und Antiquariate. Die
Frau suchte Bücher. Stundenlang sah sie alte, staubige Folianten durch, und in
Genf war zum erstenmal im Gespräch mit einem Händler ein Begriff aufgetaucht,
der die PSA alarmierte. Die Magie der unsichtbaren Zauberwesen! Die
Fremde suchte Schriften darüber und, wie sie in dem Antiquitätenladen in Genf
hatte verlauten lassen, Abschriften des Textes oder gar das Original. Angeblich
gebe es mehrere Seiten, die verlorengegangen sein
sollen und möglicherweise unerkannt in alten Büchern zusammengefaltet oder
getarnt lagen. Deshalb interessierte sich die schöne Unbekannte in erster Linie
für Bücher, in denen über Magie, Okkultismus und Geheimwissen geschrieben war.
Sie schien der festen Überzeugung zu sein, daß sie in Büchern aus dem frühen
achtzehnten Jahrhundert einen Hinweis oder gar eine Seite des außergewöhnlichen
Buches entdeckte. Von der Schweiz aus war die Frau nach Österreich gekommen. In
Wien setzte sie ihre Suche in einschlägigen Läden fort. Gerade die
Donaumetropole war für ein solches Unternehmen ein wahres Mekka. Hier gab es
zahlreiche Antiquariate und Antiquitätengeschäfte. Gleich nach ihrer Ankunft
suchte sie das erste auf. Pörtscher klebte an ihr wie eine Klette. Seine
Fähigkeit und Vielseitigkeit der Verkleidung und tausend Masken kamen ihm dabei
zugute.
In
zahlreichen Verkleidungen trat er auf. Einmal war er Schaffner, ein andermal
Taxifahrer, dann wieder Vertreter oder selbst begeisterter Sammler
irgendwelcher alten Dinge. Diese letzte Rolle war seit seiner Anwesenheit in
Wien in Abwechslung mit seiner Darstellung als Taxifahrer inzwischen zum
Dauerzustand geworden. Er war in der Nähe der Fremden, wo immer sie auch auftauchte.
Aber das stimmte nur zum Teil. Obwohl er seit dreieinhalb Wochen in Wien lebte,
war es ihm nicht gelungen, herauszufinden, wo die Frau wohnte. In den
fraglichen Läden stieß er immer wieder auf ihre Spur, aber sobald es darum
ging, sie bis ans Endziel zu verfolgen, kam etwas dazwischen. Entweder geriet
er in einen Stau, oder die Fremde verschwand um die nächste Hausecke und war
dann wie vom Erdboden verschluckt, oder irgendein dummer Zwischenfall ließ ihn
die Spur verlieren. Da es schon zu oft geschehen war, mußte man den Zufall
ausschließen. Das waren keine Zufälle mehr, hier ging es nicht mit rechten
Dingen zu. Beweis für eine solche Hypothese war auch die Tatsache, daß er
heimlich mehrere Fotos von der Unbekannten geknipst hatte. Aber alle Bilder waren
nichts geworden. Immer auf jenen Fotos, auf denen die Fremde sich hätte zeigen
müssen, waren nur helle Schemen zu sehen oder verwaschene, undefinierbare
Flecken. Es schien, als hätte er keinen Menschen, sondern einen Geist
fotografiert. Die Technik hatte versagt. Manchmal versagten auch seine
Wahrnehmungen und Sinne, was die Person betraf. Aber seine Erinnerung
funktionierte. Und wenn es ihm auch nicht gelungen war, ein brauchbares Foto zu
schießen, so hatte er doch eine präzise Beschreibung an seine Organisation
geben können. Dort schien es inzwischen auch genaue Vorstellungen davon zu
geben, um wen es sich bei der Frau handelte die angeblich schon eine oder
mehrere Seiten aus dem betreffenden Buch besaß.
Es
war
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