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072 - Das Horror Palais von Wien

072 - Das Horror Palais von Wien

Titel: 072 - Das Horror Palais von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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lassen. Kameraverschlüsse klickten,
Schmalfilmkameras surrten, Menschen drängelten sich vor dem Haupteingang.
Constanze lief bis zur Pestsäule, dann Richtung Kohlmarkt. Von hier aus war es
bis zur Naglergasse nicht mehr weit. In dem Café wollten sich heute noch mal
die meisten der Gäste treffen, die an Evis Party teilgenommen hatten. Auch Evi
wollte kommen. Ob sie ihren neuen Freund mitbrachte?
    Constanze
war etwa zehn Schritte in die Naglergasse gegangen, als ihr ein Auto entgegenkam,
das sie nur zu gut kannte. Es handelte sich um einen roten 2CV mit schwarzem
Stoffdach.
    Constanze
blieb stehen.
    »Sandra!« rief sie unwillkürlich und begann zu winken. Am Steuer saß eine
junge Frau. Sie wandte den Kopf kurz seitwärts, und die Blicke der beiden
begegneten einander. Constanze schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht Sandra,
sie hatte sich getäuscht… Die junge Studentin blickte dem Auto nach. Das
polizeiliche Kennzeichen stimmte aber mit dem von Sandras Fahrzeug überein.
Hatte die Freundin ihr Auto einem anderen Mädchen, das Constanze nicht kannte,
geliehen? Dann war Sandra Kaintz offensichtlich schon im Künstler- Café .
    Constanze
Gramscyk schritt schneller aus, erreichte das Haus, in dem das Stuben-Café
untergebracht war und warf von außen einen Blick durch das Fenster. Der
Stammtisch in der Ecke, an dem sie zusammenzukommen pflegten, war noch leer.
Keine Spur von Evi Strugatzki, keine von Sandra Kaintz…
    Constanze
betrat das Café und wartete auf das Erscheinen der anderen, die auch an diesem
Nachmittag kommen wollten. Die junge Frau fühlte Unruhe in sich. Die Szene mit
Sandras Auto ging ihr nicht aus dem Sinn. Wer war die schwarzhaarige, fast wie
eine Zigeunerin aussehende Frau gewesen, die den Wagen gesteuert hatte? Der
2CV, an den sie dachte, rollte inzwischen aus der Stadt hinaus. Die Fahrerin
war schwarzhaarig und rassig und hatte etwas von einer Exotin an sich. Ihr
Gesicht war makellos rein, von faszinierender Klarheit. Die Nase war gerade und
aristokratisch, die vollen Lippen hatten schönen Schwung, in den Augen aber
glitzerten Tränen. Sie rollten über die Wangen, und mehr als einmal wischte die
Frau sie mit dem Handrücken ab, um besser sehen zu können. Zum Glück herrschte
auf der sonntäglichen Straße wenig Verkehr. Die Fahrerin sah ihre Umgebung wie
hinter einem Schleier. Die Fahrt aus der Stadt in den Außenbezirk, in den sie wollte, bekam sie wie in Trance mit. Überhaupt kam ihr
alles unwirklich vor, wie im Traum. Sie war noch zwei Kilometer von dem Haus
entfernt, das sie ansteuerte, als sie sich zu halten entschloß. Unweit der
Stelle, an der sie den 2CV bremste, stand eine Telefonzelle. Die Fahrerin
schneuzte sich und betrachtete sich dann im Innenspiegel immer wieder, als
könne sie nicht glauben, was sie sah. Sie betastete ihr Gesicht, die
Augenbrauen, fuhr vorsichtig und nachdenklich durch das schwarze, weich
fließende Haar und zog dann die Lippen nach. »Wer bin ich?« flüsterte sie leise.
»Und, wo komme ich her?« Während diese Worte über ihre Lippen kamen, blickte
sie an sich herunter. Sie trug ein wunderschönes, mit Rüschen und Pailletten
besetztes Kleid. Gewagt und großzügig das Dekolleté, das ihre Brüste sehen
ließ. Die Haut war weiß und rein wie Alabaster. Das Kleid war Klasse und wirkte
doch irgendwie befremdend und unpassend. Sie sah darin aus, als käme sie von
einem Ball. Aber genau daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Das Kleid in
seinem eigenwilligen Schnitt und der enormen Menge kostbaren Stoffes, aus dem
es maßgerecht geschneidert worden war, ließ den Schluß zu, daß sie an einer
besonderen Festlichkeit teilgenommen hatte. Wie kam sie zu diesem Kleid? Sie
wußte genau, daß sie es schon mal gesehen hatte. Und das lag erst wenige
Stunden zurück. Da hatte dieses gleiche auffällige Kleid jemand anders
getragen: Eine uralte, tote Frau in der Toreinfahrt zur engen Domgasse… Die
zigeunerhaft Aussehende am Steuer gab sich einen Ruck, kramte in der
Seitentasche der Fahrzeugtür und fand mehrere Zehn- und Fünf-Schilling Münzen.
Sie lief zur Telefonzelle, wählte eine Nummer und warf eine Münze ein. Der
Teilnehmer am anderen Ende der Strippe meldete sich. »Kaintz«, die Stimme der
Frau klang schwach, traurig und erwartungsvoll zugleich. Die Schwarzhaarige in
der Telefonzelle zuckte zusammen. »Sie sind… Anni Kaintz?« fragte sie
vorsichtig und mußte mit den Tränen kämpfen, die in ihr aufstiegen.
    »Ja,
richtig«, klang es zurück.

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