072 - Die Rache des Magiers
der Finsternis einlassen, geraten Sie in einen Teufelskreis, der Sie gefangenhält bis in alle Ewigkeit. Und da kommen Sie, verlangen von mir, ich soll das Größte, Schlimmste und Gefährlichste versuchen, was ein Magier wagen kann.“
„Reden Sie nicht. Nennen Sie den Preis. Ich bin kein Mann langer Worte. Wieviel verlangen Sie, im Erfolgsfall selbstverständlich?“
Der schwarzhaarige Mann sah seinen Besucher an, dessen unauffällig eleganter Anzug bestimmt sehr viel Geld gekostet hatte. Kronberger warf einen Blick auf seine teure Schweizer Uhr.
„Ich habe wenig Zeit“, sagte er. „Wegen dieses Gesprächs mußte eine Aufsichtsratssitzung verschoben werden. Also, sind Sie jetzt der große Magier, der mir beschrieben wurde, oder ein kleiner Schwindler?“
„Fordern Sie mich nicht heraus! Ich warne Sie noch einmal eindringlich vor den Mächten, mit denen Sie sich einzulassen im Begriff sind.“
„Ja oder nein?“
„Nun denn“, sagte Amann. „Es soll sein. Wo ist der Leichnam Ihrer Frau?“
„Im Obergeschoß meiner Villa aufgebahrt. Ich habe sie einbalsamieren lassen, denn niemals soll meine geliebte Irene in die feuchte, kalte Erde gebettet werden, Moder und Verwesung ausgeliefert, den Würmern zum Fraß. Wollen Sie die Tote sehen?“
„Nein. Ich sagte schon, daß kein Mensch über Leben und Tod bestimmen kann. Ich will die Verbindung schaffen, die Sie wünschen. Mein Honorar beträgt hunderttausend Mark, denn ich setze mehr aufs Spiel, als Sie ahnen können. Diesen Betrag werden Sie mir bringen, sobald Sie das erstemal mit Ihrer Frau gesprochen haben. Tun Sie es nicht, dann ist Ihre Frau wieder tot wie zuvor.“
Kronberger wollte etwas sagen, doch der Mann ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Ich handle nicht. Entweder – oder. Ich habe Sie gewarnt. Das Honorar nehme ich, weil ich Kräfte gebrauchen und Mächte beschwören muß, mit denen ich nie mehr paktieren wollte. Sie werden einen weiteren Preis entrichten müssen, wenn Ihre
Frau leben soll, doch nicht an mich und nicht in Geld.“
„Was Sie da sagen, klingt reichlich konfus. Gut, ich schlage ein. Hunderttausend – sobald ich mich überzeugt habe, daß meine Frau lebt. Wann und wie erfahre ich, daß die Verbindung zustande gekommen ist, von der Sie sprachen?“
„Das werden Sie schon merken.“
Kronberger verabschiedete sich von Amann. Der Mann mit den dunklen, so seltsam glänzenden Augen sah aus dem Fenster seiner bescheidenen Wohnung zu, wie sein Besucher das graue Mietshaus verließ und in den schwarzen Wagen stieg.
„Du Narr“, murmelte er. „Du wirst bitter bereuen, dich auf diese Sache eingelassen zu haben. Bald wirst auch du zu den Verdammten gehören, gleich mir.“
Edgar Kronberger besuchte die Aufsichtsratssitzung im Hochhaus der Bank. Die Herren begrüßten ihn respektvoll, denn er war der Präsident des Finanzkonzerns und zugleich der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Einige der Aufsichtsratsmitglieder, die bei der Bestattung von Kronbergers Frau vor drei Tagen verhindert gewesen waren, kondolierten jetzt.
Kronberger nahm an der Stirnseite des langen Tisches Platz. Einen Augenblick musterte er die Gesichter vor sich. Die meisten von ihnen hatte er bei der Beerdigung gesehen. Zweitausend Personen waren gekommen, um seiner Frau die letzte Ehre zu erweisen.
Außer Kronberger hatte kaum einer gewußt, daß der Sarg leer war, nur mit Steinen beschwert. Die Tote lag in der Villa des Bankiers aufgebahrt.
„Beginnen wir mit der Tagesordnung, meine Herren“, sagte Kronberger. „Dr. Müggenburg, informieren Sie uns nochmals über Punkt Eins.“
Während der hagere Dr. Müggenburg verlas, daß ein Großbauunternehmen einen Millionenkredit beantragt hatte, welche Sicherheiten zur Verfügung standen und wie die geschäftliche Lage jenes Unternehmens war, schweiften Kronbergers Gedanken wieder ab.
Er konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Kronberger kehrte an diesem Abend erst um 20.30 Uhr in seine Villa zurück. Er teilte dem Chauffeur mit, er solle ihn pünktlich um 8.00 Uhr am nächsten Tag abholen.
Marie Walter, Kronbergers Sekretärin in der Zeit, als er noch ein kleiner Bankfilialstellenleiter gewesen war, erwartete ihn bereits im Haus. Sie war jetzt seine Haushälterin, seine rechte Hand, was Organisation seiner zahlreichen Geschäftsreisen und Repräsentation anging, ferner seine Privatsekretärin und seine Vertraute. Sie hatten einmal ein Liebesverhältnis gehabt, doch das lag fünfundzwanzig
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