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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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kümmern.

    Tage vergingen. Die Behandlung schlug bei Marino gut an. Seine schwärenden Wunden verheilten. Er war bei Sinnen, und man konnte vernünftig mit ihm reden. Aber sowie die Rede auf Schlangen oder den Ophitkult kam, sagte er kein Wort mehr.
    Er aß mit recht gutem Appetit und nahm ein wenig zu. Schon am zweiten Tag nach dem Schlangenbiß war er aufgestanden. Er ging im Zimmer umher und mittags auch einmal ein paar Schritte durch den großen Garten mit den Springbrunnen hinter dem Haus. Aber er nahm an seiner Umgebung keinen Anteil mehr. Wenn ich mit ihm über Venedig redete, über unsere Familie, über Geschäfte oder über Politik antwortete er zwar, aber ich merkte, daß es ihn nicht interessierte.
    Ich sprach mit Pablo.
    „Marino steht unter einem fremden Bann", sagte ich. „Der Arzt hat recht gehabt - er gehört Ophit. Marino hat es selbst bestätigt, auf der Schlangeninsel und in der Nacht meines Geburtstages."
    „Irgendwann wird er sich zu den anderen Ophiten begeben", meinte Pablo. „Heimlich, in der Nacht, wird er zum Versammlungsort gehen."
    Ich überlegte und schlug dann die geballte Rechte in die Handfläche der Linken.
    „Wir müssen ihn überwachen, Pablo. Wir werden ihm folgen, wenn er hingeht, zusammen mit ein paar entschlossenen Männern."
    „Was habt Ihr vor, junger Herr?"
    „Ich weiß es noch nicht. Aber bewaffnete Männer sollten etwas gegen diese Schlangenanbeter ausrichten können. Mit Arkebusen und Armbrüsten, mit Degen und Dolch werden wir Marino freikämpfen."
    Der Baske wiegte den Kopf hin und her.
    „Es ist gefährlich. Wir haben es nicht nur mit irdischen Gegnern zu tun."
    „Nun gut, dann nehmen wir Kreuze und Weihwasser mit. Und Silberkugeln und Silberklingen, für alle Fälle. Oder hast du Angst, Pablo?"
    Der hünenhafte Mann mit dem angegrauten Haar und dem zerfurchten Gesicht sah mich an.
    „Angst? Nein, Don Michele. Pablo Agual hat keine Angst mehr, seit er in Sevilla mit ansehen mußte, wie das Inquisitionsgericht seine junge Frau und seine beiden Kinder wegen Hexerei verbrennen ließ. Mein Herz ist tot seit jenem Tag, und es ist mir gleich, ob ich in der Hölle oder im Himmel ende. Ich habe Rache genommen an dem obersten Hexenrichter."
    Er schwieg eine Weile und wandte den Kopf ab. Sein Atem kam stoßweise. Ich konnte erkennen, wie erregt er war.
    „Also gut", sagte er dann abrupt. „Es soll geschehen, wie Ihr gesagt habt."
    Von diesem Tag an, nachdem ich einen Blick in Pablos Vergangenheit und in sein Inneres getan hatte, brachte ich dem Basken eine tiefe Zuneigung entgegen. Wir wurden Freunde, soweit das wegen des Altersunterschieds und der Verschiedenheit unserer Persönlichkeiten möglich war.
    Ich hatte Oriana Dali eine Zeitlang nicht besucht. Als ich sie am Tag nach dem Gespräch mit Pablo aufsuchte, eröffnete sie mir schnippisch, daß sie sich einen anderen Liebhaber genommen hätte. Es machte mir nichts aus; ich war gereift in den letzten Tagen.
    Zwei Tage später weckte Pablo mich kurz vor Mitternacht in meiner Kammer. Bleich fiel das Licht des Vollmonds durch das Bleiglasfenster und übergoß die Dächer von Iraklion mit silbernem Licht. „Marino ist aus seinem Kammerfenster gestiegen", sagte der Baske zu mir. „Wir müssen ihm folgen. Die Männer sind schon verständigt."
    Ich nickte und zog meine Stiefel an und den Wams über. Da ich damit rechnete, daß Marino einen nächtlichen Ausflug unternahm, hatte ich in Kleidern geschlafen. Ich gürtete eilig den Degen um und steckte zwei silberbeschlagene Pistolen ein. Dann eilten wir aus dem Haus.
    Pablo hatte ein halbes Dutzend Männer angeworben, finstere Gestalten, die in dem großen Haus untergebracht gewesen waren. Marino, der sich um nichts mehr kümmerte, wußte nichts von ihnen. Unter den Kerlen waren zwei oder drei, die für ein Silberstück ihrer eigenen alten Mutter die Gurgel durchgeschnitten hätten. Und sie waren auch bereit, gegen gute Bezahlung einen Handstreich gegen den Schlangenclan zu verüben. Nur das war wichtig.
    An jeder der beiden Mauerpforten war ein Diener postiert. Der Mann an der Seitenpforte meldete uns, daß Marino vor zwei Minuten hinausgehuscht wäre. Wir folgten ihm in einigem Abstand. Marino marschierte durch die Stadt, ohne sich aufzuhalten oder auch nur einmal umzudrehen. Wir hielten uns im Schatten. Iraklion lag wie ausgestorben da. Fünf von den sechs Männern, die mir und Pablo folgten, trugen Arkebusen.
    Ich fragte mich, wie Marino aus der Stadt kommen wollte,

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