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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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als er sich der Stadtmauer näherte. Die Tore waren über Nacht geschlossen. Aber Marino hatte keine Schwierigkeiten. Die Wächter an einem Seitentor ließen ihn durch.
    Wir gingen zu ihnen, als Marino durchs Tor geschritten war. Einer der drei Wächter hielt die Hellebarde quer und verwehrte uns den Durchmarsch.
    „Im Namen des Gouverneurs, wer seid ihr und wohin wollt ihr? Gebt Antwort!"
    „Da hast du unsere Antwort", sagte Pablo und schlug dem Wächter die Faust unters Kinn.
    Der Mann stürzte bewußtlos zu Boden, und ein Arkebusenkolben schmetterte auf den Eisenhelm des zweiten Wächters, der ebenfalls zusammenbrach. Der dritte wurde gepackt und am Schreien gehindert. Der Mann mit dem gestreiften Pluderwams lag Sekunden später neben seinen beiden Kameraden.
    Wir eilten durchs Tor, um Marino auf dem Feld und im Gelände nicht aus den Augen zu verlieren. Er sah und hörte nichts und marschierte geradeaus nach Südsüdosten, auf die Hänge des verkarsteten Kalksteingebirges zu.
    Mehr als zwei Stunden marschierte Marino, ohne Rast zu machen. Wir sahen die Ruinen der alten Stadt Knossos zu unserer Rechten, dunkle Schattenmauern im Mondlicht. Die Kalksteinhänge waren bleich, wo der Mond sie anstrahlte, und von dunklen Schatten durchzogen.
    „Wir marschieren auf die Felshöhlen zu", sagte Pablo Agual zu mir.
    Ich hatte die Felshöhlen bei Tag schon zwei- oder dreimal besichtigt, von außen allerdings nur. Sie waren bewohnt. Eremiten und Gesetzlose hausten hier, Magier und Bettler, Spione der Osmanen, Verbrecher und gescheiterte Existenzen. Es war ein bunt zusammengewürfeltes, obskures Völkchen. Wir gelangten aber nicht ganz zu den Felshöhlen. Marino suchte eine Bodensenke im hügeligen, buschbestandenen Gelände auf. Der Versammlungsort war ein unheiliger Platz mit drei uralten zerzausten Zypressen und ein paar verstreuten Megalithen. Einer der Steinblöcke befand sich in der Mitte der Senke und war flach wie eine Platte. Ein grünliches Feuer brannte darauf, das seltsame Schatten erzeugte. Menschen tummelten sich in der Senke, Ophiten, Schlangenanbeter. Es waren Männer und Frauen, weit mehr als hundert. Sie gehörten allen Schichten und Ständen an. Da waren Bettler und Frauen und Töchter von adeligen Venetianern, Marktweiber und Herren, die eine Rolle spielten auf der Insel. Sie interessierten sich nicht füreinander, sondern nur für die Schlangen, die sie beim Klang mißtönender Flöten liebkosten. Sie schmusten mit den Reptilien und küßten die züngelnden Mäuler. Dabei hatten sie einen völlig entrückten Ausdruck.
    Vor dem grünlichen Feuer aber stand eine seltsame Gestalt- ein Hohepriester des Kultes sicherlich. Er trug eine blaue Kutte mit einer Kapuze, und über seine Schultern fiel ein roter Umhang. In einer Hand hielt er einen goldenen Kelch, so groß wie eine Schüssel, aus dem kleine Schlangen quollen. Während ich hinsah, flogen hinter dem grünlichen Feuer ein paar Fledermäuse auf. Es war ein gespenstisches Bild. Der Hohepriester und die Anhänger des Schlangenclans vollzogen ein Ritual zu Ehren Ophits, dessen Sinn uns Uneingeweihten unverständlich blieb.
    Marino hatte jetzt den Oberpriester erreicht. Er berührte mit der Stirn den Schlangenkelch, und ich glaubte zu sehen, wie ein paar kleine Schlangen unter seinen Kleidern verschwanden. Dann trat mein Bruder, achtungsvoll gebeugt, zurück. Er hob eine Natter auf und hockte sich nieder. Den Oberkörper hin und her wiegend, liebkoste er die Schlange wie die andern. Es war mir gräßlich, den Ausdruck des Entzückens auf seinem Gesicht beobachten zu müssen.
    Die Ophiten murmelten Sprechgesänge zum Flötenklang, aber nicht im Chor. Wir verstanden nur Wortfetzen.
    „Ophit", hörte ich ein paarmal, und „Große Schlange".
    Ich hatte genug gesehen und gehört.
    „Wir wollen dieses unheilige Treiben beenden", sagte ich zu Pablo. „Wenn wir den Schlangenkelch zerschlagen und die Reptilienbrut ins Feuer schütten, wird der Bann vielleicht von meinem Bruder genommen."
    Pablo hatte Zweifel, aber er zögerte nicht. Leise raunte er Kommandos. Die Lunte einer Arkebuse wurde entzündet. Dumpf dröhnend krachte der Schuß. Die Kugel fuhr in den Himmel.
    Wir sprangen auf und stürmten in die Senke hinunter.
    Wir drangen bis zu dem Hohenpriester und meinem Bruder vor, der in seiner Nähe kauerte. Weitere Arkebusenschüsse dröhnten durch die Nacht. Sie wurden in die Luft abgefeuert, denn wir wollten die Ophiten vorerst nur erschrecken.
    Wenn wir

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