0721 - Stärker als der Teufel?
tatsächlich wieder hellwach. Das Tuch war sehr flauschig, es tat meiner Haut direkt gut.
Ich streckte mich, rubbelte das Haar trocken, und der Geruch des frischen Kaffees wehte mir bereits entgegen. Er munterte mich noch mehr auf, ich freute mich auf das Frühstück.
Da die Küche mit hellen Möbeln und auch hellen, geblümten Vorhängen und Gardinen eingerichtet war, machte sie auch bei diesem Wetter einen freundlichen Eindruck.
Ich warf einen kurzen Blick hinein und sah, daß sich Jessica schon angezogen hatte. Sie trug eine rote Hose aus Feincord und einen dunkelblauen Pullover, der ihren Oberkörper eng umschloß und die Figur gut nachzeichnete. Das Haar hatte sie zur Seite gekämmt und an der linken Seite festgebunden.
Ich zog mich ebenfalls an und hörte, als ich in die Schuhe schlüpfte, ihren Ruf.
»Bist du fertig, John?«
»Ja, Moment noch, bin auf dem Weg!«
Mein Blick fiel auf den sehr sorgfältig und liebevoll gedeckten Küchentisch, da mußte ich einfach Appetit bekommen. Das Roastbeef lachte mich ebenso an wie das frische Rührei, der Speck und die drei verschiedenen Konfitüren.
Ich wußte jetzt schon, daß ich dieses Essen lange hinauszögern würde.
Das war auch so.
Wir aßen, redeten, aßen wieder, sprachen über Gott und die Welt, und Jessica erzählte mir, daß sie bald wieder ausstellen würde.
»Wo denn?«
»In Kopenhagen.«
»Was? Tatsächlich?«
»Ja. Die Dänen oder die Nordländer sind ebenfalls große Puppenliebhaber. Sie haben mich eingeladen.«
»Wie lange wird die Ausstellung denn dauern?«
»Angesetzt wurde sie auf einen Monat.«
Ich nickte. »Das ist ordentlich. Wirst du die Zeit über in Kopenhagen bleiben?«
Sie hob die Schultern und zeichnete mit dem Fingernagel den Umriß einer blauen Blüte auf der Tischdecke nach. »Ich glaube nicht. Mit einer Woche werde ich wohl auskommen. Vielleicht kannst du mich ja besuchen.«
Ich schaute in ihre blauen, etwas verhangen wirkenden Augen und sah die Weichheit ihres Gesichts.
»Wenn ich jetzt sage, das würde ich gern tun. Nimmst du mir das auch ab?«
»Immer.«
»Keine Lüge?«
Sie mußte lachen, ich auch. »Keine Sorge, John, ich kenne dich und deinen Job. Tu uns einen Gefallen und versprich bitte nichts. Wenn es soweit ist, werde ich dich daran erinnern. Ich schreibe dir oder rufe dich an. Doch wie ich dich einschätze, wirst du wieder unterwegs sein - oder?«
»Kann sein.«
»Und dir macht dieses Leben wirklich Spaß?«
Ich schaute auf das Rührei und auf die Scheibe Speck, die dort hervorschaute. »Spaß?« wiederholte ich, »das kann ich nicht mit Fug und Recht behaupten. Aber ich muß es tun, es ist mein Job, meine Arbeit, die mir kein anderer abnimmt. Gerade jetzt nicht, wo Suko dieses schreckliche Schicksal ereilt hat, von dem ich dir berichtete. Es ist alles ein wenig kompliziert.«
»Ja, John, das begreife ich schon. Du kannst nicht aus deiner Haut heraus, ich ebenfalls nicht. Ich denke nur immer daran, daß wir uns hoffentlich gesund wiedersehen. Das ist meine einzige Sorge. Alles andere wollen wir mal dahingestellt sein lassen.«
»Das meine ich auch.«
Als wir schließlich mit dem Frühstück fertig waren, da zeigte die Uhr bereits die zweite Mittagsstunde an. Irgendwo bekam ich ein schlechtes Gewissen, denn ich wollte eigentlich noch kurz im Büro vorbeischauen, was Jessica nicht verstehen konnte, als ich davon sprach.
»Bleib doch hier.«
»Und wann wirfst du mich hinaus?«
Sie zählte es an ihren Fingern ab. Ich winkte lachend dazwischen. »Nein, so viele Tage nicht.«
»Tage, sagst du?«
»Ja. Oder meinst du Stunden?«
»Nein, Wochen.«
Da mußte ich wieder lachen. Gleichzeitig aber wurde ich nachdenklich, denn diese indirekte Antwort hatte mir mehr gesagt als viele Worte. Jessica Long mochte mich, und ich mochte sie.
Es entstand eine etwas verlegene Pause zwischen uns, die ich unterbrach, indem ich aufstand. »Sorry, aber ich muß jetzt wirklich fahren.«
»Wohin?«
»Zu mir nach Hause. Ich werde von dort im Büro anrufen. Außerdem möchte ich noch mit Suko reden. Er braucht jemand, der sich um ihn kümmert.«
»Das verstehe ich.«
Jessica Long brachte mich noch zur Tür und schlang dort ihre Arme um meinen Nacken. Sie küßte mich und spielte dabei mit meiner Zunge. »Gib auf dich acht«, sagte sie ein wenig atemlos, »und versuch mal, an mich zu denken oder mich anzurufen.«
»Mach' ich.« Die Worte würgte ich etwas hervor. Die Kehle war mir eben ein wenig eng geworden.
Von der
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