Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
und die verschwommenen Flammen einiger Gaslampen. Trotzdem ging er vorsichtshalber auf die Knie und presste seine Stirn gegen den Stein. Bis seine Stellung an diesem Hof geklärt war, musste er sich auf diese Weise erniedrigen. Manchmal, so hatte schon sein Meister vor langer Zeit erklärt, war es besser, das Gesicht und nicht den Kopf zu verlieren.
    »Ihr solltet Eurem Gast erlauben, näher heranzutreten«, sagte eine dunkle männliche Stimme mit einem leichten Akzent. »Er ist fast blind.«
    Das bin ich nicht, wollte Youwei gegen das verhasste und gefürchtete Wort aufbegehren, aber er blieb stumm auf dem Boden hocken und wartete darauf, dass man ihn ansprach. Er fragte sich, woran der Fremde seine schlechten Augen erkannt hatte.
    »Du hast die Erlaubnis unseres Herrn, aufzustehen und näher zu kommen«, fuhr die Stimme fort.
    »Ich danke Euch.« Youwei kam schwerfällig hoch und trat vor. Vier Schritte machte er, bevor ein plötzlich aufkommendes Gefühl der Panik und des Ekels über ihn hinwegschwappte. Er blieb stehen.
    »Du kannst unseren Herrn noch nicht sehen«, sagte eine zweite, ebenfalls männliche Stimme, die akzentfrei sprach. »Geh weiter.«
    Youwei zwang seine Beine zur Bewegung. Sein ganzer Körper zitterte vor Entsetzen, stemmte sich widerwillig gegen die Befehle des Geistes. Ein weiterer Schritt, ein Schweißausbruch, der seine Augen brennen ließ und noch ein Schritt. Gestalten schälten sich aus dem Nebel, zuerst zwei dann eine dritte zwischen ihnen.
    Youweis Bück klärte sich und seine Beine gaben unter ihm nach. Schwer schlug er auf dem Steinboden auf, zitternd und vor Angst stöhnend. Er bemerkte erst, dass er sich übergeben hatte, als beißender Gestank in seine Nase stach.
    Stimmen drangen an sein Ohr, jemand drehte ihn auf den Rücken. Für einen Moment wurde es dunkel um ihn, dann kehrte seine Sicht zurück. Ein Sklave kniete neben ihm und wischte das Erbrochene auf, ein anderer reichte ihm eine Tasse Tee, die Youwei dankbar nickend entgegennahm.
    »Geht es dir besser?«, fragte die Stimme, die einen Akzent besaß.
    »Ja.« Youwei räusperte sich. »Bitte vergebt mir meine grobe Unhöflichkeit. Ich habe wohl etwas im Essen nicht vertragen.«
    »Du musst nicht lügen. Wir wissen, dass unser Herr diesen Effekt auf manche Menschen hat. Deshalb hat er sich zurückgezogen und uns das Gespräch überlassen.«
    »Euer Herr«, antwortete Youwei, der es immer noch nicht wagte den Blick auf seine Gegenüber zu richten, »ist höchst weise und großmütig. Bitte richtet ihm meinen Dank aus.«
    Die akzentfreie Stimme übernahm das Gespräch. »Wie ist dein Name, Mensch?«
    »Wang Youwei, Beamter dritter Ordnung am Hofe des Regenten von Wuchang.«
    »Dritter Ordnung? Ist das ein hoher Posten?«
    Youwei neigte den Kopf. »Er gibt mir ein bescheidenes Einkommen, eine kleine Dienerzahl und eine Leibwache. Ich stelle keine hohen Ansprüche.«
    Die andere Stimme klang amüsiert, als sie antwortete. »Ihr seht auch aus wie ein Mann, der keine Ansprüche stellt und die Einfachheit liebt. Erhebt Euch, Wang Youwei.«
    Mit Erleichterung bemerkte er, dass die beiden Männer zu einer höflicheren Anrede übergegangen waren. Sie schienen die Hierarchien bei Hof zu kennen und zu respektieren. Ein kurzer Schwindel überkam ihn, als er seine kniende Position verließ, dann sah er wieder klar - und trat erschrocken einen Schritt zurück.
    Die beiden Männer standen erhöht auf einem Podest, das mit kostbarer Seide ausgelegt war. Zwischen ihnen befand sich ein Thron, das aus Elfenbein - oder waren es etwa die Knochen anderer Wesen? - zu bestehen schien. Uniformierte Kahlköpfige beobachteten alles aus gelben Augen. Überrascht bemerkte Youwei, dass die Wächter aus Männer und Frauen bestanden.
    Dann kehrte sein Blick beinahe zögernd zum Grund seines Erschreckens zurück. Es war der Mann, der rechts neben dem Thron stand. Seine Roben waren kostbar, seine Finger lang und schlank, aber sein Kopf war der eines Pavians.
    Youwei wollte ihn nicht beleidigen, also blickte er rasch zur Seite und betrachtete den zweiten Mann. Er war ungewöhnlich groß und sein Haar war so hell, wie das der Barbaren, die weit entfernt im Westen lebten. Seine Roben waren etwas weniger elegant, zeichneten ihn aber trotzdem als wohlhabenden und angesehenen Mann aus. Er lächelte und Youwei bemerkte, dass er ein Mensch war.
    »Erlaubt mir uns vorzustellen«, sagte der Barbar mit seinem leichten Akzent. »Dies ist Wu Huan-Tiao, zweiter Hofzauberer

Weitere Kostenlose Bücher