0724 - Vampirträume
starrte jetzt auf ihre Hände, als hätte sie die noch nie gesehen.
»Hör zu, Hope, ich gehe jetzt raus und hole einen Arzt, okay?«
O'Neill drehte sich um und griff nach dem Türknauf.
»Das wirst du nicht!«
Hopes Stimme stoppte ihn. Sie klang merkwürdig gepresst und aggressiv. Einem Instinkt folgend berührte O'Neill seine Waffe.
»Du musst keine Angst haben, Hope. Ich bin gleich wieder…«
»Ich will, dass du der Erste bist, Jack.«
Bettlaken raschelten. O'Neill fuhr herum und blickte in ein verzerrtes Mädchengesicht, das sich vor seinen Augen in Sekundenschnelle veränderte. Eine Schnauze schob sich nach vorn, gelbe Augen leuchteten, Zähne wurden gefletscht. Und dann, während er noch seine Waffe hochriss, sprang Hope auf ihn zu.
O'Neill drückte ab.
Der Knall war ohrenbetäubend. Das Projektil durchschlug Hopes Körper und brachte sie zu Fall. Ihr Wolfskopf pendelte einen Augenblick unkontrolliert auf ihren Schultern, dann stand sie bereits wieder.
Ein zweiter Knall, ein dritter, ein vierter. Die Kugeln trafen sie in die Brust und in den Kopf, trieben sie aber nur für Sekunden zurück. Ihre Finger schlugen wie Krallen nach O'Neill und zwangen ihn, bis zur Tür zurückzuweichen. Ohne sich umzudrehen, trat er mit der Ferse nach dem Schloss und stieß die Tür auf.
Er hörte Schritte auf den Gängen und aufgeregte Stimmen. Hope knurrte.
Ich kann dieses Ding doch auf kein Krankenhaus loslassen, dachte er verzweifelt und trieb sie mit zwei weiteren Schüssen zurück.
»LAPD!«, schrie er in den Korridor hinein. »Verlassen Sie die Gänge und schließen Sie die Türen. Sofort!«
Seine Rufe schienen das Wolfswesen mit Hopes Körper nur noch mehr anzustacheln. Mit einem gewaltigen Satz landete es direkt vor O'Neill. Der sprang zurück, schlug dem Monster die Tür entgegen und lief los. Seine Schritte hallten in den Gängen. Die Ärzte und Schwestern schienen die Warnungen ernst genommen zu haben, denn er sah niemanden, hörte nur das Knurren des Wesens hinter sich.
Doch dann bog er um die Ecke, entdeckte den Mann mit den Gipsbeinen und dessen Mutter, die wie wahnsinnig gegen eine verschlossene Tür schlug. Immer noch rennend drehte O'Neill sich um und schoss ein weiteres Mal auf das Wolfswesen. Die Wucht des Kugelaufpralls warf es zu Boden und gab ihm ein paar Meter Luft.
Er hörte nicht auf die Worte der verängstigten Mutter, sondern trat die Tür ein. Noch während er dem Rollstuhl einen Stoß versetzte und die Frau in den Raum schob, fiel ihm der Gipsraum ein, aus dem die beiden gekommen waren. Außer ihnen hatte niemand im Gang gewartet. Wenn sich nach seinem Ruf keiner hineingeflüchtet hatte, musste er leer sein.
O’Neill entschied sich, den Gedanken als Plan zu betrachten. Das Wesen hatte bereits wieder aufgeholt, auch wenn es langsamer war als zuvor. Vielleicht zeigten die Schüsse ja doch Wirkung.
Ein paar Schritte brachten ihn bis zur Tür des Gipsraums. Sie war unverschlossen.
Er riss sie auf und stellte erleichtert fest, dass sich niemand in dem kleinen Raum versteckt hatte. Es gab nur ein Fenster und keine weiteren Ausgänge. O'Neill presste sich gegen die Wand und zwang sich, ruhiger zu atmen.
Eine Sekunde später flog ihm das Wesen entgegen. Es war noch in der Luft, als es von den letzten Schüssen im Magazin getroffen wurde und gegen einen festgeschraubten Metalltisch prallte. Sein Jaulen klang wie das eines Hundes.
O'Neill war mit einem Satz im Gang und schlug die Tür zu. Hastig klemmte er einen Stuhl unter den Türknauf. Mit seinem gesamten Gewicht stemmte er sich gegen die Tür, während das Wesen im Inneren zu toben begann. Die donnernden Schläge schüttelten ihn durch.
»LAPD«, schrie er in den Gang hinein. »Ich könnte hier ein wenig Hilfe gebrauchen!«
Die Türen öffneten sich zögernd. Als die ersten Ärzte und Schwestern in den Gang traten, zog O'Neill sein Handy aus der Tasche und gab eine Kurzwahlnummer ein, die er vor einiger Zeit angelegt hatte.
Etliche Schläge später meldete sich eine Stimme am anderen Ende:
»Château Montagne.«
***
Wie riesenhafte schwarze Vögel glitten die Vampire über die nächtliche Stadt hinweg. Jhre Augen suchten den Boden ab, fanden Autos, die in einer endlosen Karawane über die Straßen zogen. Scheinwerfer rissen ihre Körper für Sekundenbruchteile aus der Dunkelheit, aber niemand sah mehr als eine flüchtige Bewegung. Die Vampire rochen das Blut der Menschen, hörten ihren Herzschlag und schlugen im Geist ihre Fänge
Weitere Kostenlose Bücher