0724 - Vampirträume
in weiches, warmes Fleisch.
Aber sie gaben dem Hunger nicht nach, sondern wandten sich ab und setzten die Suche für ihren Herrn fort. Von den Hollywood Hills bis Santa Monica, von Pasadena bis ins San Fernando Valley, überall tauchten die dunklen Schatten am Himmel auf. Sie schwebten über die Häuser hinweg und an den Vorstädten vorbei.
Suchend…
Wartend…
Dann, endlich, findend…
***
Zamorra schlug die Augen auf und schüttelte benommen den Kopf. Er war wohl nur wenige Sekunden bewusstlos gewesen, denn sein Angreifer kam selbst erst gerade auf die Beine. Mit einem Tritt brachte Zamorra ihn wieder zu Fall.
»Du gehörst zu Fu Longs Familie, nicht wahr?«, sagte er. »Wir sind keine Feinde.«
»Doch, das sind wir!« Der Vampir, ein junger Mann mit hellblonden Haaren, spie ihm die Worte förmlich entgegen. Er sprach so laut, dass man es im ganzen Haus hören musste.
Gleichzeitig mit ihm stand Zamorra auf. Das Bad, das ihm eben noch groß und geräumig erschienen war, wirkte plötzlich eng, als der Vampir ihn zu umkreisen begann.
»Du kannst ruhig schreien. Der Raum ist durch Magie vom Rest des Hauses abgeschirmt. Niemand hört, was hier geschieht.«
Zamorra drehte sich mit ihm und versuchte seine nächste Bewegung vorauszuahnen.
»Ich will dich nicht töten«, sagte er. »Dein Vater und ich stehen auf der gleichen Seite.«
»Mein Vater ist verblendet. Ich habe ihn oft genug vor dir gewarnt, aber er hört nur auf seine Bücher. Er begreift nicht, dass du ihn hintergehen und uns alle ins Unglück stürzen wirst.«
Zamorra dachte an das Amulett im Handschuhfach seines Wagens. Ein Ruf genügte, um es in diesen Raum zu bringen, aber noch scheute er davor zurück, wusste nicht, ob er schnell genug reagieren konnte, um die magische Waffe von einem Angriff abzuhalten. Ein Teil von ihm erkannte die Ironie der Situation: Hier stand er nach Jahrzehnten der Dämonenjagd und versuchte, einen Vampir nicht zu töten.
»Ich hätte deinen Vater mehr als einmal töten können«, sagte er, »ebenso wie er mich. Aber wir haben es nicht getan und ich gebe dir mein Wort…«
Der Schlag des Vampirs kam so unerwartet, dass Zamorra sich nur noch zurückwerfen konnte. Er stieß gegen die Badewanne, verlor das Gleichgewicht und stolperte unkontrolliert in den nächsten Schlag hinein. Seine Knie wurden weich. Er sackte zu Boden.
Der Vampir schrie seinen Triumph hinaus. Undeutlich nahm Zamorra einen Fuß wahr, der auf ihn zuschoss. Im letzten Moment griff er danach, nutzte den Schwung der Bewegung und riss seinen Gegner nach unten. Der landete hart auf den Holzdielen, wollte sich aufrichten, aber eine Reihe von Schlägen trieb ihn zurück. Seine Gegenwehr wurde schwächer und unkoordinierter.
Wenn ich ihn für ein paar Minuten außer Gefecht setzen könnte, dachte Zamorra. Das würde reichen, um zurück in die Bibliothek zu kommen.
Unwillkürlich sah er zur Tür - ein Moment der Unaufmerksamkeit, den der Vampir ausnutzte. Ein Tritt traf Zamorra in die Rippen und schleuderte ihn zur Seite. Er stöhnte auf, als weitere folgten und der Raum verschwamm, dann drückte ihn auch schon ein Gewicht zu Boden. Seine Arme wurden gegen die Dielen gepresst und er begriff, dass der Vampir auf ihm hockte. Eine kühle Hand legte sich plötzlich unter sein Kinn und bog seinen Kopf zurück.
»Wer hätte gedacht, dass es so einfach wird«, flüsterte der Vampir.
Zamorra schloss die Augen und rief das Amulett.
Er hörte keinen Schrei, keinen Knall, sah nur einen kurzen Blitz vor seinen geschlossenen Lidern und spürte, wie die Hand unter seinem Kinn verschwand. Staub rieselte auf seine Kleidung und den Boden.
Nach einer Weile fand Zamorra die Kraft aufzustehen. Er ließ das Amulett liegen und öffnete die Tür. Der Gang lag verlassen vor ihm. Aus der unteren Etage hörte er Schritte, leise Stimmen und das Weinen einer Frau. Die Familie war so nah, dass sie den Tod des Vampirs gespürt haben musste.
»Scheiße…«, sagte er leise.
Die Tür zur Bibliothek war nur angelehnt. Er schob sie ein Stück auf und blieb stehen. Fu Long stand am Fenster, hatte die Vorhänge zurückgezogen und starrte hinaus in die Dunkelheit. Das Weinen war hier kaum noch zu hören.
Zamorra räusperte sich.
»Es…«, begann er, stockte dann jedoch, unsicher, was er sagen sollte. Natürlich tat es ihm Leid, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Der Vampir hatte ihm den Kampf aufgezwungen und hätteihn bedenkenlos getötet, wenn er die Gelegenheit bekommen
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