0726 - Krematorium der Angst
die Lippe vor. »Woher soll ich das wissen? Keine Ahnung!«
»Wirklich nicht?«
»Was soll das?« Er ärgerte sich jetzt. »Hören Sie, ich habe zu tun.«
»Hat er die Rechnung beglichen?«
»Nein, dafür seien Sie zuständig.« Er wollte an mir vorbei, ich aber stellte mich ihm in den Weg und zeigte ihm gleichzeitig meinen Ausweis.
»Oh - ein Bulle.«
»Hören Sie. Ich will jetzt wissen, was mit dem Gentleman dort passiert ist!«
»Der ist weg.«
»Wann und wo?«
»Als wir hielten.«
»Haben Sie gesehen, wo er hinging?«
»Tja, da haben Sie Glück, Mister.« Er grinste breit. »Ihr Bekannter ist tatsächlich ausgestiegen. Ich warf zufällig einen Blick durch das Fenster und sah ihn über den Bahnsteig hetzen.«
»Wie sagten Sie? Hetzen?«
»Ja, meinetwegen auch rennen. Er hatte es jedenfalls verdammt eilig gehabt.«
»Danke sehr.«
»Sonst noch was außer der Rechnung.«
»Nein. Wieviel muß ich zahlen?«
Er addierte es auf einem Zettel, bekam noch ein Trinkgeld und ging weiter.
Ich nahm wieder Platz und dachte über das Geschehene nach, das ich einfach nicht begreifen konnte. Welchen Grund hatte Vinc Craig gehabt, so plötzlich zu verschwinden?
Der Ghoul, das mußte einfach dieser verdammte Leichenfresser gewesen sein, der ihn erschreckt hatte. Dank seiner schleimigen Gestalt konnte er es durchaus schaffen, sich auch außen am Wagen entlangschieben, um plötzlich vor der Scheibe zu erscheinen.
Oder war das Risiko zu groß für ihn gewesen? Daran glaubte ich nicht. Aus seiner Sicht hatte Vincent Craig einen Fehler gemacht. Er hätte erst seine Verfolger abschütteln müssen und sich dann an mich wenden sollen. Nur war das nicht so leicht gewesen, denn die Mitglieder der anderen Seite hingen an ihm wie Kletten.
Ich war nicht gerade ratlos, aber ich ärgerte mich darüber, allein nach Liverpool fahren zu müssen.
In dieser Stadt kannte ich mich kaum aus, und ich wollte mich zunächst auch nicht an die Kollegen wenden, um nicht die Pferde scheu zu machen.
Neue Gäste betraten den Speisewagen. Ein Paar wollte an meinem Tisch Platz nehmen. Ich ging zur Seite und dann den Mittelgang hinunter zur Tür.
Meine Gedanken drehten sich natürlich um diesen verfluchten Ghoul. Zudem hoffte ich darauf, daß er sich auf mich konzentrieren würde. Wenn ich ihn abermals sah, dann würde ich schneller reagieren, darauf konnte er Gift nehmen.
Der Zug hatte an Tempo gewonnen. Wir rasten durch die Landschaft und in den Nachmittag hinein.
Gegen achtzehn Uhr würden wir am Ziel eintreffen, dann war es schon dunkel.
Ich legte mir einen Plan zurecht, wie ich nach der Ankunft vorgehen würde.
Zunächst einen Leihwagen besorgen, dann in das Industriegebiet fahren und dort dieses verfluchte Krematorium suchen. Dieser hohe Schornstein, sein Wahrzeichen gewissermaßen, mußte auch in der Nacht zu sehen sein.
Ich ging durch den Gang, machte mich schmal, als mir ein Mann mit zwei Koffern entgegenkam. Er erreichte wenige Schritte später die Tür zu meinem Abteil.
Ich zerrte sie auf.
Den Griff hielt ich noch in der Hand, als ich auf halbem Wege stoppte. In dem Abteil war jemand, nicht Vincent Craig, sondern eine Frau.
Es war genau die Blonde in dem roten Kostüm, die ich beinahe umgerannt hatte…
Sie lachte.
***
Ja, sie lachte mich aus und amüsierte sich köstlich über mein wahrscheinlich verblüfftes Gesicht.
»Was haben Sie denn, Mister? Bin ich so außergewöhnlich für Sie, daß Sie sich nicht trauen, das Abteil zu betreten?«
Ich schlüpfte hinein und schob die Tür zu. Die Blondine hatte Vincent Craigs Platz eingenommen.
»Nein, auf keinen Fall, aber ich habe Sie hier nur nicht erwartet.«
Sie breitete die Arme aus und legte eine Hand auf das Hochglanz-Magazin auf dem Nachbarsitz.
»Das Abteil war frei. Da dachte ich mir, nimm es in Beschlag.«
»Das freut mich.« Ich nahm Platz. Meine Blicke wanderten über ihre Gestalt. Die rote Jacke des Winterkostüms hatte sie ausgezogen. Darunter trug sie eine schlichte weiße Bluse aus Chiffonstoff, der nicht sehr dünn war. Dennoch sah ich ihre beiden Brustwarzen, die gegen den Stoff drückten.
Feine Seidenstrümpfe umhüllten die schlanken Beine, die sie aufregend parallel zur Seite gedrückt hatte. Zu einem modernen Kostüm gehört auch ein entsprechend kurzer Rock. Und der war noch ein Stück hochgerutscht.
Sie lächelte. Ihr Gesicht wirke etwas blaß. Es mochte auch an ihrem Make-up liegen. Die Nase war klein, der Mund etwas sinnlos vorgeschoben, die
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