0727 - Jagd nach dem Leben

Wasseroberfläche und die Beschwörung Vassagos.
    Diesmal sah es so aus, als folge der Dämon dem Ruf nur äußerst widerwillig. Lag es daran, dass Zamorra ihn erst vor kurzem wieder einmal beschworen hatte?
    Im Wasser der Badewanne zeigte sich das Gesicht des Dämons. »Was willst du schon wieder von mir, Zamorra? Nein, sage nichts - du brauchst wieder Hilfe. Was soll ich dir diesmal zeigen? Bedenke aber bei allem, was du von mir verlangst, dass es den anderen Dämonen nicht gefällt, wenn ich dir so oft zur Seite stehe.«
    »He, langsam, alter Freund«, mahnte Zamorra. »Ich habe dich lange Zeit in Ruhe gelassen.«
    »Was du unter lange Zeit verstehst, ist für Wesen meiner Art oft nur die Dauer eines Herzschlags. Ich mache mich unbeliebt. Lass mich in Ruhe, Zamorra.«
    »Wenn du mir geantwortet hast.«
    »Was willst du wissen?«
    Zamorra legte die Fotokopie auf das Wasser. Es dauerte ein paar Sekunden, bis das Papier durchfeuchtet wurde, aber weiterhin an der Oberfläche trieb.
    »Dieses Sigill«, sagte Zamorra, »gehört einem Dämon. Aber ich kenne es nicht. Ich weiß von dem Dämon auch nur, dass er sich mir und anderen als Skelettfratze zeigte. Er ist wohl in der Lage, sterbliche Geschöpfe dauerhaft zu verjüngen. Wer ist er, Vassago? Ich will seinen Namen, und ich will die Formel, mit der er zu beschwören ist.«
    »Du verlangst Zu viel!«, ächzte Vassago.
    »Ich verlange nur, was du mir geben kannst.«
    »Es ist zu viel!«
    »Nein, Vassago!« Zamorra benutzte einen weiteren magischen Spruch.
    Vassago krümmte sich. »Warum tust du mir das an?«, stöhnte er. »Ich habe dir nie etwas getan!«
    »Ich will den Namen und die Beschwörung, die zu diesem Sigill gehören!«, beharrte Zamorra. »Sofort!«
    »Ich kann es dir nicht sagen…«
    »Du kannst, aber du willst nicht! Warum verweigerst du mir deine Hilfe?«
    Vassago wand sich. Zamorra begegnete ihm mit einer magischen Zwangformel. Der Dämon begann zu keuchen. Dann endlich konnte er dem Höllenzwang nicht mehr widerstehen.
    »Airam Lemak«, jammerte er. »Oh, ich Unglückseliger… Das Airam wird mich vernichten, wenn es erfährt, dass ich seinen Namen nannte…«
    »Das Airam?«, hakte Zamorra nach.
    »Hörst du schlecht, Zamorra?«
    »Also das Airam Lemak. Jetzt die Beschwörung!«
    »Muss es wirklich sein?«, wand sich Vassago.
    »Die Beschwörung! Sofort! Und wage nicht, mich zu täuschen, alter Freund!«
    Vassago sprudelte die Worte hervor, so schnell, dass Zamorra nicht in der Lage war, sie sich zu merken. »Noch einmal!«, forderte er deshalb. »Und zwar langsam.«
    »Ich hasse dich, Zamorra!«, keuchte Vassago.
    »Und ich liebe deine freundliche Unterstützung. Los, das alles noch einmal zum Mitschreiben!«
    Natürlich schrieb er nicht, sondern verließ sich darauf, dass das Amulett die Anrufungsformel einem Tonbandgerät ähnlich »aufzeichnete«. Gleichzeitig lauschte er sorgfältig auf Feinheiten im Tonfall, auf Silbenlängen und Pausen zwischen den Worten. Jede Kleinigkeit war wichtig, wenn es darum ging, einen Dämon zu beschwören.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Ich danke dir, Vassago. Und ich werde niemandem verraten, von wem ich mein Wissen bezog. Nun entlasse ich dich.«
    »Hoffentlich für alle Zeiten!«, kreischte Vassago. Das bereits völlig durchnässte Papier auf dem Wasser loderte grell auf und verwandelte sich in Asche. Dann begann das Wasser zu kochen und zu verdampfen. Unwillkürlich floh Zamorra aus dem Badezimmer. Dampfschwaden folgten ihm hinaus auf den Korridor.
    »Airam Lemak«, murmelte er. Diesen Namen hatte er nie zuvor gehört.
    ***
    Den anderen war dieser Name auch unbekannt, und eine Rückfrage im Château Montagne ergab, dass es über diesen Dämon absolut keine Unterlagen und Hinweise gab. Er schien überhaupt nicht zu existieren.
    Aber Vassago kannte - und fürchtete - ihn!
    Wer also war Airam Lemak?
    Und was hatte er - oder es - mit Cayman Jones zu tun?
    Ein Dämon, der einem Menschen die Gabe der Verjüngung gewährte und ihn verstieß, wenn jener sich diese Gabe stehlen ließ… Und wie war es April Hedgeson möglich gewesen, diese spezielle Gabe, die für sie zum Fluch geworden war, an sich zu reißen? Was war bei dem Kampf zwischen Jones und Hedgeson wirklich geschehen?
    »Wir werden es herausfinden, wenn ich Airam Lemak beschwöre«, sagte Zamorra.
    »Das willst du tatsächlich tun?« April Hedgeson zeigte sich erheblich erschrocken.
    »Natürlich. Mit Jones können wir nicht mehr rechnen. Aber irgendwie