0727 - Mystic, der Maniac
Überblick zu gewinnen. Da er direkt neben dem Fenster saß, bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, über den oberen Rand der Gardine hinweg nach draußen schauen zu können.
Die Straße war nicht zu dunkel. Letzte Reklamelichter wehten schwach über den Boden.
Er wollte sich schon abwenden, als er die Bewegung sah. Es kam eine Gestalt. Von der linken Seite her trat sie an das Fenster heran. In der Dunkelheit sah es aus, als würde sie über den Boden schweben. Sie war nicht groß, dafür markant, allein schon durch ihre Frisur, die mehr wie eine gut gestylte Perücke wirkte. Aber Suko wußte, daß es keine Perücke war. Schon zulange war er mit Yannah zusammen gewesen.
Die Hexe war da!
Er duckte sich ein wenig, blieb aber noch so weit aufgerichtet stehen, daß er über die Gardine hinwegschauen konnte. Er mußte Yannah unter Kontrolle halten.
Sie blieb vor dem Fenster stehen. In ihrer schwarzen Kleidung hob sie sich kaum von der Straße ab.
Aber sie hatte sich so gedreht, daß sie gegen die Scheibe schauen konnte.
Yannah wußte Bescheid!
Suko sah ihr Gesicht. Sie lächelte. Der Mund bewegte sich. Er hörte keine Worte, dafür sah er die Bewegung ihrer Hände, als sie ihm mit ihrem Zeigefinger zuwinkte, nach draußen zu kommen.
Suko zog sich zurück.
»He!« meldete sich Hu von der Theke her. »Was ist denn los? Was hast du da draußen gesehen?«
»Nichts weiter.«
»Doch, du lügst.«
Suko schaute ihn an, ging dann auf den Tresen zu und legte eine Hand auf den Schwertgriff. »Ich glaube, daß es besser für dich ist, wenn du diesen Raum verläßt. Geh nach oben oder nach hinten. Versuch dich zu verstecken.«
»Ich gehöre hierher.«
Da hörte er den Schrei. Er war nicht im Gastraum aufgeklungen, sondern dahinter, irgendwo in der Küche. Und es war die Stimme einer Frau gewesen.
Hu wurde blaß. Er sprach einige Worte, schnellte herum und huschte durch die schmale Tür, bevor Suko ihn noch warnen oder etwas dagegen unternehmen konnte.
Es war eine Falle, und sie war perfekt gestellt worden. Daran gab es keinen Zweifel mehr.
Suko huschte zurück zum Fenster. Er wollte sehen, wie Yannah sich verhielt.
Sie war verschwunden.
Suko drehte sich wieder. Er ärgerte sich, daß er die beiden Wirtsleute in Gefahr gebracht hatte, hörte wieder einen Ruf und dann schleifende Schritte.
Einen Moment später erschien Hu wieder. Er drehte Suko den Rücken zu. An seinen Bewegungen allerdings erkannte der Inspektor, daß etwas mit ihm geschehen war.
Er ging schleppend, hatte die Arme hochgerissen und die Hände gegen die Wangen gedrückt. Dann drehte er sich mit einer langsamen Bewegung um, so daß Suko sein Gesicht erkennen konnte.
Es war dunkel.
Aus mehreren Wunden zugleich sickerte das Blut in fingerdicken Streifen. Er wollte etwas sagen.
Seine Lippen bewegten sich, als würden sie von Fäden gezogen, nur drang nicht einmal ein Röcheln aus seiner Kehle.
Mit dem Rücken schrammte er über die innere Thekenkante und brach zusammen.
Suko dachte nicht mehr an die Hexe, ihm fiel ihr irrer Helfer ein, dieser verfluchte Mystic. Nur er konnte diese verfluchte Tat begangen haben.
Suko zog eine Waffe. Noch bevor er hinter die Theke laufen konnte, entstand an der Tür Bewegung.
Er sah nur einen Schatten, und dann flog ihm etwas entgegen.
Ein Körper, eine Frau - eine Tote!
Es war die Person mit den Zöpfen, die gegen ihn prallte und ihn fast von den Beinen gerissen hätte.
Sie sah ähnlich schrecklich aus wie der Tote aus dem Leichenkeller.
Suko fand nur mühsam Halt. Ein Ziel suchte er vergebens, denn Mystic hatte sich zurückgezogen.
Dafür erschien Yannah.
Die Tür fegte sie mit einem Tritt nach innen. Ging zwei Schritte und blieb wie eine Rachegöttin stehen. Sie hielt keine Waffe in den Händen, aber Suko wußte, daß sie erschienen war, um ihn zu töten…
***
Beide standen sich gegenüber. Von Hu war nichts mehr zu sehen. Er war über seiner toten Frau zusammengebrochen, auch Mystic hielt sich zurück, das weitere war einzig und allein Sache zwischen der Hexe und dem Inspektor.
»Man verläßt mich nicht«, sagte sie mit klirrender Stimme. »Ich bestimme, wenn jemand geht.«
»Nein, Yannah, nicht du.«
»Hast du vergessen, was ich für dich tat?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann sehe ich keinen Grund, dich zu schonen. Du hast mich bewußt verlassen. Ich hasse es, wenn man mich hintergehen will. Ich wäre mit dir zusammengeblieben, aber du…«
»Hör auf, Yannah! Ich habe dir gesagt, daß ich nicht
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