0727 - Mystic, der Maniac
lief er die steinerne Böschung hinab. Auch auf diesen Steinen lag Eis, deshalb mußte er höllisch acht geben. Unangefochten erreichte er sein erstes Ziel.
Noch immer bewegte sich niemand auf dem Uferweg. Im Sommer war er überfüllt, zu dieser Jahreszeit schien er eingefroren zu sein. Manchmal wehte der Wind auch in die Ecken hinein, holte dort Papierfetzen hervor und schleuderte sie raschelnd über den Weg. Rechts neben Suko glitzerte das Wasser. Manchmal hatte er den Eindruck, als würden kleine Eisschollen auf den Wellen treiben, aber so kalt war es doch nicht. Er passierte einen Kahn. Suko blieb stehen. Sollte er das Schiff als Versteck nehmen?
Licht schimmerte nicht hinter den schmalen Luken. Wie ein totes Stück Holz lag der Kahn auf dem Wasser. Manchmal schrammte er auch gegen die Ufermauer.
Suko sprang an Deck. Nichts geschah. Er ging weiter. Der Boden unter ihm war schlüpfrig geworden, das Eis schimmerte wie ein dünner, rauher Putz.
Nichts bewegte sich in Sukos Nähe. Keiner war da, der auf ihn lauerte. Die Dunkelheit kam ihm vor, als wäre sie allein für ihn da und über seinen Kopf gestülpt worden.
Er dachte an die berühmten Pariser Clochards, die sich im Winter nicht mehr unter den Brücken aufhalten konnten und sich eine Bleibe suchen mußten.
So ein Kahn wäre eigentlich gut gewesen, auch wenn er nicht geheizt war. Doch kein Clochard schien auf diesen Gedanken gekommen zu sein. Niemand zeigte sich an Deck.
Der Mittelteil des Kahns sah aus wie ein großes, offenes Grab. Schotten trennten die einzelnen Laderäume voneinander ab.
Da wollte sich Suko nicht gerade verstecken. Er bewegte sich in Richtung Heck. Dort wuchs der Aufbau des Steuerhauses hoch. Die Tür war verschlossen.
Suko versuchte es an der anderen Seite. Ein schmaler Durchgang führte hinein in die Kabine. Dicht daneben stand ein altes Fahrrad. Es hatte nur, noch einen Reifen.
Als er die Tür aufzog, drang ihm ein häßlich quietschendes Geräusch entgegen. Er mußte sich ducken, erreichte eine kleine Küche, die mehr aussah wie eine Puppenstube.
Die Möbel waren alt, staubbedeckt, und der Staub lag auch auf dem Boden.
Suko hatte eine kleine Leuchte hervorgeholt. Deutlich waren die Fußabdrücke zu erkennen. Sie mußten schon älter sein, denn in ihnen hatte sich neuer Staub abgesetzt.
War er doch nicht allein?
Suko zog seine Beretta, als er neben der zweiten schmalen Tür stehenblieb.
Seine Gestalt verschmolz mit der grauen Düsternis, nur die Haut in seinem Gesicht glänzte leicht speckig.
Dann zog er die Tür auf.
Nichts erwartete ihn. Er konnte die zweite Kabine ohne Sorge betreten.
Auch in ihr nistete die Kälte. Sie war irgendwie anders als draußen, so klamm und feucht.
Zwei Bettgestelle fielen Suko auf. Es waren nur die reinen Gestelle, die Matratzen und Bezüge waren entnommen worden. Wie Netze durchzogen die miteinander verbundenen Sprungfedern die beiden Vierecke.
Suko drückte die Tür wieder von innen zu. Ein Zeichen dafür, daß er sich zum Bleiben entschlossen hatte. Er nahm auf dem Gestell Platz und lauschte dem Knacken der Federung.
Über seine Lippen zuckte ein Grinsen. Bequem war es hier nicht, immer noch besser, als sich durch das nächtliche Paris zu bewegen und darauf zu warten, erwischt zu werden.
Dieses Versteck sah er als günstig an. Wenn Yannah und ihre Helfer ihn hier finden wollten, hatten sie eine Menge zu tun. Suko legte die Beine hoch und rutschte mit dem Körper so weit zurück, daß er eines der Enden in seinem Rücken spürte. Diese Haltung war zwar auch nicht bequem, aber relativ gut auszuhalten.
So blieb er sitzen.
Zum erstenmal in dieser Nacht fand er ein wenig Muße und Ruhe. Er hörte das Wasser der Seine, er spürte auch, wie sich der alte Kahn leicht auf den Wellen bewegte, und dieses Schaukeln ließ auch das Gefühl der Müdigkeit in ihm hochkommen. Einschlafen konnte und wollte er auch nicht. Nur ein wenig Muße haben, das war alles.
Nicht über sich dachte er nach. Sein Interesse galt Yannah, der Weißen Hexe.
Er erinnerte sich an die zahlreichen Gespräche mit ihr und dachte auch daran, wie sie reagiert hatte.
Niemals hatte sie den rechten Weg verlassen wollen. Sie haßte den Teufel und seine hexenhaften Dienerinnen. Sie hatte auch über Lilith, die Große Mutter, Bescheid gewußt und wollte ebenfalls nicht auf ihrer Seite stehen. Eigentlich hatte Yannah den Menschen helfen wollen.
Suko konnte es noch immer nicht fassen, obwohl er sich eingestand, daß es ein
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