0727 - Mystic, der Maniac
sah er sich selbst im Spiegel. Es war nur so seltsam. Sein Gesicht schob sich über das der Hexe, damit beide Gesichter eine Einheit bilden konnten.
»Wir zwei zusammen, mon ami…«
Es war nur ein Satz, den die Weiße Hexe sagte, aber sie hatte damit die Wahrheit voll getroffen.
Sie und er waren eine Verbindung, ein Zusammenschluß. Yannah hatte Macht über ihn.
Suko wollte etwas sagen. Er bewegte die Lippen, sah die kleinen Speichelbläschen in seinem Spiegelgesicht, aber er vergaß seine Worte wieder. Ein Windstoß war durch seinen Kopf geweht und hatte seine Vorsätze einfach vertrieben.
Vorbei…
Eine Hand schob sich auf seine. Er blickte hoch. Yannah hockte neben der Couch und lächelte ihn an. »Nun, wie fühlst du dich, mon ami?«
Suko fielen beinahe die Augen zu. So konnte er nur eine Antwort geben. »Müde, Yannah, sehr müde…«
Sie nickte wie eine besorgte Mutter. »Das glaube ich dir sogar. Die letzten Stunden sind auch sehr anstrengend gewesen, eigentlich schon zu anstrengend für einen Menschen. Deshalb möchte ich dich bitten, etwas zu schlafen.«
»Aber ich muß doch John…«
»Das geht alles in Ordnung. Hast du noch die Kraft, um ihm eine Nachricht zu hinterlassen?«
»Ja…«
»Dasselbe Hotel wie vor einigen Wochen?«
»Plaza Athenée…«
»Sehr gut«, lobte sie ihren Schützling. Sie reichte ihm einen Block und einen Kugelschreiber. »Jetzt versuch bitte, dich zu konzentrieren. Schreib auf, was ich dir diktiere…«
Suko wollte es nicht. Er ahnte, daß es falsch war. Nur kam er gegen die Kräfte der Weißen Hexe nicht an. Und auch nicht gegen die Macht eines Zauberers namens Mystic, der im Hintergrund des Zimmers in einem Sessel hockte und ein zufriedenes Grinsen zeigte.
Während Suko schrieb, ging die Weiße Hexe zu ihm. Sie redete mit ihm, sie sprach hektisch, und einige Male fiel auch der Name John Sinclair.
Mystic nickte nur.
Dann lächelte er.
Und es sah bei ihm aus, als würde ein Teufel anfangen zu grinsen…
***
Wieder in Paris, wieder im selben Hotel, wieder dieselben freundlichen Gesichter am Empfang, die mich erkannten und mich sogar mit meinem Namen begrüßten, ohne daß ich mich vorgestellt hatte.
»Bienvenue, Monsieur Sinclair, wir freuen uns, daß Sie wieder in unserem Hause wohnen.«
»Merci, ich mich auch.«
Gediegene Eleganz um mich herum. Perfekt war der Service, aber nicht aufdringlich.
Gepäck hatte ich mal wieder so gut wie keines. Mein schmaler Koffer wirkte in diesem Interieur eher deplaziert, aber darüber sah ich hinweg. Ich mochte dieses Hotel nun mal und dachte daran, daß es im Sommer einfach herrlich sein mußte, in dem Innengarten ein Frühstück einzunehmen. Um diese Zeit konnte man sich da höchstens die Beine abfrieren.
Dasselbe Zimmer bekam ich nicht. Das neue war anders möbliert. In Blau gehalten, dazu die Farbe Schwarz, die Halogenlampen, die Blumen, da stimmte schon alles.
Nur wohl nicht mein Trinkgeld, denn der Knabe, der mich nach oben geführt hatte, lächelte etwas knirschig.
Sollte er…
Ich setzte mich auf das Bett und hätte mich am liebsten hingelegt. Diese Liege lud einfach dazu ein.
Statt dessen schaute ich zum Fenster, als könnte ich dort die Lösung meiner Probleme finden.
Ich hatte noch nichts von Suko gehört und auch keine Nachricht von ihm bekommen. Dies wiederum machte mich besorgt. Zwischen seinem Anruf und meiner Ankunft waren einige Stunden Vergangen. In der Zeit konnte viel passiert sein.
Ich zündete mir eine Zigarette an, fand es plötzlich nicht mehr gut im Zimmer und ging nach unten, wo ich meinen beinahe schon Stammplatz in der Bar einnahm.
Ein Hotel wie dieses hat einen 24-Stunden-Service. Also konnte ich auch an der Bar einen Drink bekommen. Gefrühstückt hatte ich schon im Flieger, zusammen mit Shao, die sich klammheimlich davon gemacht hatte. Sie wollte nicht mit mir in einem Hotel wohnen, sondern ihren eigenen Weg gehen und versuchen, Sukos Spur aufzunehmen.
Gepaßt hatte mir das nicht, aber ich hatte es akzeptieren müssen.
Ich entschied mich für ein Wasser, qualmte noch eine Zigarette und dachte daran, daß es allmählich Zeit für Suko wurde, mal etwas von sich hören zu lassen.
Da tat sich nichts.
Bis ein Hotelboy die Bar betrat, für einen Moment stehenblieb, sich umschaute, bevor er zielstrebig meinen Platz ansteuerte, nach meinem Namen fragte, indem er ihn sagte und mitbekam, wie ich nickte. Erst dann reichte er mir das kleine Silbertablett hin, auf dem eine Nachricht für mich
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