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0728 - Angst in den Alpen

0728 - Angst in den Alpen

Titel: 0728 - Angst in den Alpen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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bewahrt.
    Es gefiel mir nicht, nein, es gefiel mir überhaupt nicht. Dieses Tal war eine Insel, die andere Welt existierte nicht. Hier hatten Menschen das Sagen, die an gewisse Dinge gekettet waren. Mir fiel der Begriff einer bösen Tradition ein, die sich hielt und sich auch weiter halten würde, wenn sie keiner störte.
    Ich konnte ihre Gesichter sehen. Normale Gesichter. Menschen, die als Bergbauern ihr karges Dasein fristeten oder im Gaststättengewerbe arbeiteten. Bewohner, die zahlreiche Touristen von ihren Urlaubern her kannten, die sich jetzt verändert hatten.
    Es gab in dieser Zwischensaison keine Touristen mehr. Der Sommer war vorbei, der Herbst ebenfalls, dafür stand der Winter vor der Tür. Schmutzig sah die Landschaft aus, sie wartete auf den ersten Schnee.
    Ein Mann hatte sich von der übrigen Gruppe abgesetzt und war einen Schritt nach vorn gegangen.
    Er schaute mich kalt an. Auf seinen Wangen lagen rote Flecken. Sein Haar war ebenso dunkel wie das der Trudi Lechner.
    Ich konnte mir vorstellen, daß es Karl Lechner war, der amtierende Bürgermeister von Glatsch. Er hatte hier das Kommando übernommen. Ob er sich dabei wohl fühlte, konnte ich nicht sagen. Lechner trug eine dicke Wolljacke, Stiefel und Hosen aus Jeansstoff. Eine Waffe sah ich nicht bei ihm.
    Er verließ sich auf seine Kraft und auf die Menge der Männer in seinem Rücken. Für mich waren die Chancen verdammt ungleich verteilt.
    Wir schauten uns noch immer an. Das Schweigen stand zwischen uns. Irgendwo bellte ein Hund. Es klang so unnatürlich weit entfernt. Das Inselgefühl in mir verstärkte sich. Mein Blick erfaßte den Kirchturm. Zur Kirche gehörte auch ein Pfarrer. Ihn entdeckte ich nicht unter den Menschen.
    Lechner wußte, was von ihm verlangt wurde. Er hob sein Kinn an, damit machte er sich selbst Mut.
    Dann fragte er: »Warum bist du nicht verschwunden?«
    »Hätte ich das gesollt?«
    »Ja.«
    »Und warum?«
    »Weil wir dich hier nicht wollen. Du bist ein Fremder, ein Eindringling. Du hast uns gestört, du bist…«
    »Ihr müßt Fremde gewohnt sein«, widersprach ich. »Viele Urlauber kommen zu euch.«
    »Nicht jetzt.«
    »Was macht es für einen Unterschied?«
    »Wir wollen allein und unter uns sein. Geht das in deinen Schädel nicht hinein?«
    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort, gab mich sogar gelassen und zündete mir eine Zigarette an. Ich wollte eine gewisse Sicherheit demonstrieren und den anderen zeigen, daß ich mich vor ihnen nicht fürchtete. Den Rauch blies ich Lechner entgegen. Er vermischte sich mit dem Atem vor meinen Lippen. Dann lächelte ich. »Komisch - wer so redet, der hat doch etwas zu verbergen.«
    »Nein!«
    »Warum lügen Sie, Herr Lechner? Sie und alle anderen wissen genau, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Es hat vier Tote gegeben. Bei dem letzten bin ich dabei gewesen. Drei Tote waren die Erblast. Sie sind verschwunden, sie wurden nicht begraben, man hat sich einfach nicht um sie gekümmert. Ich habe mir den Friedhof angesehen. Es gibt dort keine frischen Gräber, aber die Menschen sind tot. So frage ich mich: wo befinden sie sich?«
    »Das geht Sie nichts an!«
    »Vielleicht doch. Es gibt Menschen, die sich beruflich darum kümmern, Herr Lechner.«
    »Wir brauchen keine Bullen.«
    »Kann sein. Ich bin auch kein normaler Bulle, wie Sie so treffend bemerkten. Ich gehöre zu den Menschen, die schon immer mißtrauisch wurden, wenn sie auf Fälle trafen, bei denen es nicht mit rechten Dingen zuging. Ich kann mir gut vorstellen, daß hier so etwas passiert.« Ich leitete mit einer Handbewegung meine nächsten Sätze ein. »Dieses Tal liegt abgelegen. Wintersport ist kaum möglich, und da kann sich schon etwas halten, was vor langer Zeit geboren wurde. Haben Sie verstanden, was ich damit meine, Herr Lechner?«
    »Nein!«
    Mir war klar, daß er log. Er konnte auch nichts zugeben, das stand auch fest. Die Menschen lebten hier wie auf einer Insel. Es gab ein Geheimnis, in das alle eingeweiht waren, aber man hütete sich, es preiszugeben. Man behielt es für sich, man lebte damit, man ließ sich davon unterdrücken, man tat nichts, um dagegen anzukämpfen, man nahm es einfach hin, auch wenn es dabei Tote gab. Diesen Fatalismus konnte ich nicht akzeptieren, und ich war fest entschlossen, diesen Wall aus Angst und Schweigen aufzubrechen.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Sinclair! Ich sage Ihnen nur, daß wir unsere Ruhe haben wollen.«
    »Die Ruhe hat der alte Savini«, erwiderte ich und

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