0729 - Laurins finsteres Reich
sah die Zwerge, er rollte mit den Augen, er wollte schreien, schon die Ansätze erstickten in seiner Kehle.
Glasklar wurde dem Mann bewußt, daß er einen Schritt zu weit gegangen war und sich zuviel vorgenommen hatte. Es war ein Fehler gewesen, John Sinclair auszuschalten und alles allein machen zu wollen. Er dachte an seine Tochter, an seine Frau, auch an den Polizisten aus London, und diese Gedanken zuckten durch sein Hirn, ohne daß sie sich zu einem Plan zusammenfassen konnten.
Es war aus.
Er lag auf der harten Erde. Wind fuhr mit kalten Händen über sein Gesicht hinweg. Etwas berührte prickelnd seine Haut. Feine Schneekristalle, die plötzlich aus dem Himmel fielen und gegen seine Gestalt tickten.
Es kam alles zusammen, und für einen Moment schloß er die Augen, weil er sich einem Sekundentraum hingeben wollte. Dem Traum von einer besseren Welt, von Sonne, Wärme und von Menschen, die zu ihm standen und nicht seine Feinde waren.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er die Gesichter. Breit, klumpig, auch kantig, so glotzten die Zwerge auf ihn nieder. Er sah ihre großen Köpfe und ihre häßlichen Mäuler, die sich allesamt zu einem wissenden Grinsen verzogen hatten.
Die wollten etwas von ihm, die wollten seinen Tod, seine Vernichtung. Es gab für ihn keine andere Möglichkeit.
Sein Wille war gebrochen worden. Nichts mehr war von den Plänen vorhanden. Er war in die Falle gelaufen, er steckte fest, er konnte sich nicht mehr herauswinden.
Scharf stach der Gedanke an seine Tochter durch den Kopf. Er hatte Trudi bisher immer in Schutz genommen, er hatte einfach nicht glauben wollen, daß sie schlecht war, doch sie ließ sich nicht blicken. Wahrscheinlich hatte sie den Angriff der Zwerge sogar befohlen.
Die Gestalten bückten sich ihm entgegen. Plötzlich spürte er mehrere Hände an seinem Körper.
Dann wurde er in die Höhe gerissen. Er schwebte über dem Boden und rechnete schon damit, daß sie ihn fallen lassen würden, aber sie hielten ihn fest.
Sie trugen ihn weg.
Sie trippelten auf ihren kleinen Füßen, sie bewegten die Beine hektisch, aber sie schafften es sehr schnell, ihr Opfer in eine dunkle Ecke zu zerren.
Dort liefen sie weiter.
Der Bürgermeister war noch immer zu überrascht, um überhaupt an Gegenwehr zu denken. Er ließ alles mit sich geschehen. Für ihn hatte bereits ein anderes Leben begonnen, wenn überhaupt.
Sie schleppten ihn durch das Dorf. Da er auf dem Rücken lag, bekam er nicht genau mit, wo sie ihn hinbrachten. Dunkelheit umgab ihn, manchmal von einem huschenden Lichtfleck unterbrochen, wenn sie in der Nähe einer Laterne vorbeigingen.
Irgendwann warfen sie ihn zu Boden. Er fiel mit dem Rücken auf trockenes Laub, das unter seinem Gewicht knisterte. Dünn rieselte der Schnee vom Himmel. Er sah keine Wolken, es schneite trotzdem. Das alles schoß durch seinen Kopf, und er holte tief Luft, weil er plötzlich schreien wollte.
Bisher war er dazu nicht gekommen oder hatte nicht daran gedacht. Aber der Schrei erstickte bereits im Ansatz, denn wieder war eine Hand da, die sich auf seinen Mund legte.
Sie wollten ihn in Ruhe töten!
Er konzentrierte sich auf ihre Hände, weil er dort etwas gesehen hatte.
Zwischen den Fingern blinkten bestimmte Gegenstände auf. Beim ersten Hinsehen kam er damit nicht zurecht, bis ihm etwas einfiel und er daran dachte, wie der alte Savini ums Leben gekommen war.
Durch einen Pfeil!
Und der wiederum war von einem Zwerg geschossen oder geworfen worden.
Er schaute gegen ein halbes Dutzend Pfeilspitzen.
Unbeweglich lag er auf dem Boden, und ebenso unbeweglich umstanden ihn die Gnome. Sie taten nichts und standen nur da, um seine Gefangenschaft zu genießen.
Dann hörte er Schritte.
Karl Lechner konnte nicht herausfinden, aus welcher Richtung sie sich ihm näherten, nur überkam ihn plötzlich der Eindruck eines schrecklichen Todes.
Ja, da kam der Tod!
Innerlich fing Lechner an zu zittern. Seine Lippen bewegten sich ebenfalls. Er hörte sich selbst Gebete sprechen, aber die Sätze waren nicht mehr als Wortfragmente.
Die Schritte blieben, sie verstärkten sich noch. Über ihm lag ein breiter Schleier, der von den winzigen Schneeflocken gebildet wurde. Noch nicht stark, aber das würde sich ändern. Passend für seinen Zustand, denn irgendwann hatte es der Schnee geschafft und ein dünnes Leichentuch über seine Gestalt gelegt.
Es war so passend für sein Ende.
In die Zwerge geriet Bewegung, als die Schritte eine bestimmte Lautstärke
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