073 - Das Alraunenmädchen
möchte. Erstens könnten sie mit dem Dämon und seinen Helfern in Verbindung stehen. Zweitens - falls sie ganz normale Sterbliche sind - könnten sie uns wegen unserer Winzigkeit für böse Gnomen oder was Ähnliches halten. Begreifst du?"
„Ja. Es ist schade. Es macht mich traurig."
„Warte nur! Wir finden schon einen Platz, an dem wir ungesehen unterkriechen können."
Er zog sie an der Hand hinter sich her, schlug einen Bogen und umrundete das Haus. Sie konnten nun sehen, daß es aus groben Bruchsteinen errichtet worden war, die ohne Mörtel zusammengefügt waren. Das Dach der Behausung bestand aus Schieferplatten.
An der Rückseite waren Stallungen angebaut, in denen Tiere rumorten. Don und Dula liefen darauf zu. Der Puppenmann blieb aber noch einmal stehen und wandte sich dem einen erleuchteten Fenster in der Seitenwand des Hauses zu. Geschickt kletterte er an der Mauer empor. Sie bot genügend Ritzen und Vorsprünge, um das Unternehmen zu erleichtern. Don brauchte also nicht gerade akrobatische Fähigkeiten an den Tag zu legen, um bis auf die Fensterbank zu gelangen.
Die Fensterbank entpuppte sich als dunkle Marmorplatte. Wahrscheinlich befanden sie sich in einer Marmorgegend, denn welcher Schafbauer karrte schon ein solches Material von weit her heran - zumal es maßlos teuer für ihn sein mußte.
Er kniete und spähte durch ein Fenster voller Sprünge. Menschen waren im Inneren des Hauses zu erkennen, Menschen am Kaminfeuer. Eine Petroleumlampe brannte. Hier wartete man also noch auf Elektrizität; ein Gebiet, in dem die Entwicklung vor fünfzig Jahren oder mehr stehengeblieben war. Eine Familie hatte sich am Kamin versammelt. Zwei Frauen, die eine stämmig, derb, die andere jung und mit rosigen Wangen, eine biedere Schönheit. Mutter und Tochter, dachte Don. Der Mann hatte die Beine ausgestreckt und rauchte eine Pfeife. Vierter in der Runde war ein Greis mit schlohweißem Bart, dessen Kopf sich unablässig bewegte.
„Don!"
Dula, die unten auf ihn wartete, stieß es entsetzt hervor.
Er drehte sich um und da sah er die Bescherung.
Aus der Richtung der Stallungen näherte sich ein schwarzer, gut genährter Bastardhund. Er fletschte die Zähne und knurrte angriffslustig. Die Haare des Nackenfells stellten sich auf.
Dula schluchzte voller Angst.
Don Chapman ließ sich einfach fallen, setzte neben Dula auf, ergriff sie beim Arm und riß sie mit sich fort. Hier gab es nur eines: Flucht. Don hatte Erfahrungen mit Haustieren und anderen Biestern gesammelt. Bunde und Katzen waren seine Feinde, aber auch Ratten. Alle sahen ihn als Beute an. Dula mußte in diesem Augenblick für den Hund ebenfalls etwas darstellen, das es zu schnappen und zu zerbeißen galt.
Der Hund stemmte alle viere von sich, duckte sich und schlug wütend an.
„Er bringt uns um!" rief Dula, aber ihre Stimme war nicht lauter als das Piepsen einer Maus.
Don erwiderte nichts. Er brauchte seine gesamte Konzentration und Kraft, um dem bösartigen Tier zu entwischen. Tollkühn rannte er mit seiner Begleiterin auf den Hund zu. Dieser stieß sich ab und federte auf sie zu. Don schlug einen Haken. Dula stürzte fast bei dem Manöver, keuchte entsetzt, hielt dann aber doch mit.
Der Hund schnappte zu, aber er biß ins Leere. Staub wirbelte auf, als seine Pfoten über den Untergrund scharrten.
Der Puppenmann und das Mandragoramädchen hetzten durch den Staub und zwischen den Beinen des mordlustigen Gesellen hindurch und rannten auf den Stall zu.
Der Hund knurrte, warf sich herum und jagte ihnen nach.
Im Haus wurde eine Tür auf gerissen. Eine Männerstimme rief barsch: „Jaco! Jaco! Que pasa?"
Jaco stürzte sich wieder auf das kleine Pärchen, aber Don verstand es erneut, ihm zu entgehen. Jaco heulte enttäuscht auf. Der Mann unter der Tür brüllte irgend etwas.
Don hätte viel darum gegeben, wenn er jetzt seine Miniaturpistole bei sich gehabt hätte. Mit der Waffe hatte er schon so manche Ratte, Maus oder Katze in die Flucht geschlagen oder gar erlegt. Hier aber konnte nur List helfen.
Der Hund setzte zu einer neuen Attacke an. In diesem Moment entdeckte Don ein kleines Loch in der Stallwand.
„Dort hinein!" rief er Dula zu. „Schnell! Um Himmels willen, schnell!"
Sie krabbelte mit strampelnden Beinen hinein. Don wollte ihr nach, hörte aber Jaco herankommen. Er hechtete zur Seite, rollte sich ab und entging so dem zuschnappenden Maul. Jaco stieß mit der Schnauze gegen die Stallwand. Er jaulte erbost auf und zog sich für
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