0732 - Schattenreiter
weiter vom Rand entfernt befand als zuvor.
Sie vergaß die Gefahren zwar nicht, aber sie drängte sie einfach zurück. Nur nicht daran denken, das machte nur irre. Immer weiter fahren, das Ziel vor Augen haben. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie es erreicht hatte.
Und doch kam alles anders.
Sie befand sich noch auf demselben Weg und hatte schon tief durchgeatmet, weil sie so etwas wie eine Erleichterung spürte, als diese ihr radikal genommen wurde.
Aus dem Nebel löste sich der Schatten. Er stand mitten auf dem schmalen Weg und macht keine Anstalten, auszuweichen.
Fabienne stoppte.
Der Jeep rutschte noch ein wenig vor, dann endlich kam er zum Stehen. Fabienne starrte in den Nebel hinein, aus dem sich die Gestalt hervorschälte.
Es war ein Reiter. Sie sah das Pferd, und sie sah auch ihn.
Sie sah auch noch mehr.
Dieser unheimliche Reiter war eine düstere Gestalt mit zwei roten Augen, die sie anstarrten wie mit Höllenfeuer gefüllte Laternen…
***
Das war kein Irrtum, keine Halluzination, diese Erscheinung gab es wirklich.
Plötzlich zitterte Fabienne. Angst schoß in ihr hoch. Sie spürte einen Druck hinter den Augen, als wären Tränen dabei, sie nach vorn zu drücken. Was wollte der Unheimliche von ihr? Weshalb war er gekommen?
Er hockte auf einem Pferd. Da es beinahe dieselbe Farbe hatte, wie der Nebel, war es so gut wie nicht zu erkennen, und die Gestalt sah so aus, als würde sie in der Luft schweben und eins mit dem Nebel werden.
Am meisten störten Fabienne die glühenden Augen. Sie waren wie blutige Schlitze, sie starrten sie an und brachten eine fürchterliche Botschaft mit.
Tod, Grauen, das Ende.
All diese Begriffe vereinigten sich bei ihr zu einem gewaltigen Wirbel.
Sie holte laut Luft. Es rasselte in der Kehle. Schmerzhaft wurde ihr bewußt, daß sie so verdammt allein auf weiter Flur war. Wenn sie anfing zu schreien, würde niemand sie hören können.
Ihre linke Hand lag auf dem Knauf der Gangschaltung. Sie sah, wie das Tier den Kopf bewegte.
Sehr heftig sogar. Die beiden glühenden Augen wischten von einer Seite zur anderen. Den Mund hatte es aufgerissen. Abermals erklang das schrille Wiehern, als hätte der Teufel seine Trompete geholt und kräftig hineingeblasen.
Ich muß weg! schrie es in ihr. Mein Gott, ich muß weg! Der Motor war so verflucht ruhig. Sie konnte sich zu diesem Zeitpunkt eine Flucht nicht einmal vorstellen, so stark stand sie unter Druck.
Das dumpfe Pochen klang erneut auf.
Wie der Herzschlag eines Riesen, dachte Fabienne. Bei jedem Laut zuckte auch sie zusammen. Sie stand unter diesem gewaltigen Druck, sie schaffte es auch nicht, wegzuhören, die Geräusche hätten sie auch erreicht, wenn sie sich die Ohren zugehalten hätte.
Es gab kein Pardon!
Sie wartete nicht länger. Irgendwo hatte sie einen Stoß bekommen, das große Hindernis überwunden, der Trieb zur Selbsterhaltung war in ihr gestärkt worden.
Sie drehte den Zündschlüssel und hoffte, daß der unheimliche Reiter es zulassen würde.
Der Motor sprang an.
Die Gestalt auf dem Pferd zuckte zusammen, trat aber nicht den Rückzug an.
Sie blieb für einen Moment in dieser Haltung auf dem Tier sitzen, und als Fabienne Stone anfuhr, da glaubte sie, den Reiter noch gestreift zu haben. Unwillkürlich zog sie den Kopf ein, starrte durch die Scheibe in die graue Flut und konnte nicht einmal den Weg erkennen. Sie hoffte nur, die richtige Spur halten zu können und nicht in den Abgrund hineinzufahren.
Am liebsten wäre sie losgeprescht. Nur weg von diesem Ort des Schreckens. Das wiederum war nicht möglich. Sie mußte achtgeben und sich durch ihre Fahrweise dem Weg anpassen. Oft genug schlug er Bögen, er kroch um den Berg herum, der ihrer Meinung nach kein Ende zu haben schien.
Alles wurde doppelt und dreifach so lang. Außerdem gaukelte ihr der Nebel einiges vor. Ihr wurde nicht einmal bewußt, daß die Reifen des Jeeps Kontakt zum Boden hielten. Fabienne hatte den Eindruck, durch den Nebel zu schweben. Nur weil sie das Knirschen hörte, war sie auch davon überzeugt, daß die Räder Kontakt hielten.
Sie schaute nach rechts.
Der Reiter war weg. Er schien in den Nebel hineingekrochen und eins mit ihm geworden zu sein.
Sie hätte jubeln können, aber sie tat es nicht, denn eine zu große Furcht steckte noch in ihrem Körper. Bisher hatte sie die Gestalt einmal gesehen, und Fabienne war mittlerweile davon überzeugt, daß dies nicht die erste Begegnung bleiben würde. Bestimmt würde der Reiter
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