0732 - Schattenreiter
vorbeigekommen sind.«
»Das stimmt.«
»Weshalb also, Mr. Conolly?«
Bill drehte sich zu mir um. Ich trat einen Schritt vor. »Wir hatten eigentlich gehofft, eine gewisse Fabienne Stone hier anzutreffen. Das sagte man uns jedenfalls.«
Leconte bewegte seine Augenbrauen in die Höhe. »Nun«, meinte er und nickte dabei, »auch wir sind überrascht, daß sie noch nicht hier ist. Wir haben sie statt Ihrer erwartet.« Er deutete in die Runde. »Sie sehen ja selbst, der Nebel.«
»Richtig.«
»Sind Sie auch von der TAHJ?« wollte er wissen.
Was immer das sein mochte, davon waren wir bestimmt nicht. Und so verneinte Bill.
Leconte zeigte sich ein wenig irritiert. »Was wollen Sie dann von Miß Stone?«
»Das werden wir ihr selbst sagen, wenn sie kommt.«
»Bitte, sie ist hier die Chefin.«
Suko deutete auf die Burg. »Uns interessiert eigentlich mehr dieser alte Bau. Wir würden ihn gern einmal unter die Lupe nehmen.«
»Sind Sie aus der Hotelbranche?«
»Natürlich«, erklärte Bill. »Was glauben Sie, weshalb wir hergekommen sind?«
Da fiel mir auch ein, was die Abkürzung TAHJ bedeutete. Travel and History Journey. Klar, Fabienne Stone arbeitete für diese Firma, und wir hatten zuvor erfahren, daß das Schloß in ein Romantik-Hotel umgewandelt werden sollte.
»Pardon, aber damit haben wir nichts zu tun, Mr. Conolly. Wir überwintern mit unserem Zirkus hier und sind froh, daß wir die Chance bekommen haben, unsere Wagen hier im Burghof abstellen zu können.«
»Klar, das ist auch romantisch. Ist die Tür verschlossen?«
»Welche meinen Sie?«
»Das Portal.«
»Ach so ja. Nein, Mr. Conolly. Wenn Sie hineinwollen, dann gehen Sie. Nur schauen Sie nicht zu genau hin. Es ist noch nicht alles okay. Die oberen Zimmer schon, aber im Eingangsbereich muß noch gearbeitet werden. Im Frühsommer sollen auch die ersten Gäste kommen.«
Bill schaute mich an. »Sollen wir?«
»Meinetwegen. Wenn es Licht gibt.«
Aristide Leconte hatte meine Bemerkung gehört und lachte leise. »Natürlich gibt es Licht, Mr. Sinclair.« Er zog meinen Namen beim Sprechen in die Länge und schaute mich dabei sehr kritisch an.
»Zwar sind noch nicht alle Lampen installiert, zur Not werden Ihnen auch Glühbirnen ausreichen, nehme ich an.«
»Das stimmt allerdings.«
Bill und Suko hatten sich bereits in Bewegung gesetzt. Man war auch dabei, den Untergrund des Burghofs zu erneuern. So war an einigen Stellen das alte Pflaster aufgerissen worden. Die neuen Steine lagen schon bereit.
Ich folgte meinen beiden Freunden langsamer. Bisher hatte nur der Direktor gesprochen, die anderen hatten sich sehr zurückgehalten, was mich wiederum wunderte.
Meine Blicke streiften an der Außenfassade der abgestellten Wagen entlang.
Auch kleinere Unternehmen dieser Art waren mit der Zeit gegangen, was den Fuhrpark anging. Es gab nicht mehr die Holzwagen, die man von früher her kannte. Die meisten fuhren in Wohnmobilen über das Land, und wenn Anhänger gezogen wurden, dann von schweren Fahrzeugen, die genügend Pferdestärken besaßen.
Hinter vielen Fenstern schimmerte Licht. Die Ausschnitte sahen aus wie gelbe Flecken, die jemand aus dem Nebel herausgeschnitten hatte. Der Schein reichte nie weit, weil er von den flachen Dunstfahnen sehr schnell geschluckt wurde.
Ich hatte einen kleinen Bogen geschlagen und wollte die Richtung ändern, als ich hinter mir ein leises Knarren vernahm. Es gibt Geräusche, die mich mißtrauisch machen, ein derartiges Knarren gehörte dazu.
Langsam drehte ich mich um.
Eine Tür war geöffnet worden, aber sie stand nicht weit offen. Praktisch nur spaltbreit, so daß sich eine helle Hand hindurchschieben konnte.
Zwei Finger krümmten und bewegten sich.
»Komm zu mir!« flüsterte eine Frauenstimme. »Komm her in meinen Wagen. Ich will mit dir reden.«
Ich war unschlüssig. Bill und Suko hatten das Portal schon erreicht. Ich hörte, wie sie sich unterhielten. Ihre Stimmen klangen dumpf.
Sollte ich gehen, oder nicht?
»Bitte, Mister.«
Die letzten beiden Worte hatten mich überzeugt. Die Stimme klang sehr drängend, und ich ließ meine Freunde gehen. Statt dessen drehte ich mich um.
Die Tür öffnete sich weiter.
Ich schaute in den schmalen, einachsigen Wagen hinein. Für eine Person reichte er gerade aus. Als ich hineintrat, umfing mich eine seltsame Welt, die man hier kaum vermutet hätte.
Plüsch und Plunder. Vorhänge, lange Decken, Kissen, kleine Figuren mit ungewöhnlichen Körpern, viel Samt und auch ein
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