0735 - Die Armee aus dem Ghetto
hatte.
„Wir. treten zum Gegenangriff an!" gellte seine Stimme über den Lärm des Kampfes, der sich jenseits der Rauchwand abspielte.
„Es scheint, wir haben Hilfe bekommen!"
In geschlossener Front rückten die Immunen vor. Die vorderste Reihe bewegte sich gebückt, die zweite in aufrechter Haltung.
Der Gang bot Raum nur für fünf Mann nebeneinander. Durch diese Staffelung wurde erreicht, daß zehn Leute gleichzeitig schießen konnten.
„Paßt auf die Seitenräume auf!" dröhnte Bulls Befehl. „Die haben die Aphiliker im Verdacht, daß sie sich durch die Zwischenwände vorarbeiten!"
Seine Vermutung erwies sich als richtig. Während sie vorrückten, wurden in mehreren Räumen zu beiden Seiten des Ganges Wände gefunden, durch die man mit Blastern eine Öffnung gebrannt hatte. Von den Angreifern allerdings fehlte jede Spur. Der Kampf, der sich inmitten des Qualms abspielte, hatte sie angezogen. Dem Vormarsch der Immunen stellte sich zunächst kein Hindernis entgegen. Sie kletterten über die noch heißen Trümmer der Roboter.
Reginald Bull sah eine wankende Gestalt auf sich zukommen.
Aus der Nähe sah er ein rußverschmiertes Gesicht, die Augen unnatürlich weit aufgerissen, gespenstische weiße Kreise inmitten der schwarzen Gesichtsfläche.
„Hilfe ...Tod ...Schüsse!" röchelte der Mann, dann sank er erschöpft zu Boden.
Es war ein Aphiliker. Reginald Bull sah, daß er keine Waffe trug, und kümmerte sich nicht mehr weiter um ihn. Der Qualm war hier beißend, fast unerträglich. Unter dem, was auf dem Boden lag, befanden sich jetzt auch menschliche Leichen. Es kamen noch mehr, Gestalten durch den Raum gewankt, alle am Ende ihrer Kräfte und von panikartiger Angst gekennzeichnet.
Reginald Bull spürte eine Hand auf seiner Schulter.
„Bleiben Sie stehen, Sir!" sagte eine krächzende Stimme.
Bull sah den Mann an. Es war Leven Strout. Auch auf seinem Gesicht hatte sich eine Rußschicht gebildet.
„Was ist?" fragte Bull.
„Hören Sie!" forderte Strout ihn auf. „Der Kampf ist vorüber!"
Jetzt erst bemerkte Bull, daß es vor ihm ruhig geworden war.
Aus dem Dunst waren ab und zu knisternde Geräusche zu hören. Das war glutflüssiges Mauerwerk, das allmählich wieder erstarrte. Ab und zu war Stöhnen zu vernehmen. Aber das wütende Fauchen der Schüsse war erstorben. Zögernd ging Bull noch ein paar Schritte und stieß auf einen umfangreichen Haufen von Robottrümmern. Sein Fuß zerteilte die noch heißen Metallstücke. Es klapperte.
„Wer ist da?!" schrie es mit volltönender, tiefer Stimme aus dem Qualm.
Reginald Bull nahm wahr, daß neben ihm Leven Strout überrascht zusammenzuckte.
„Was haben Sie?" fragte Bull leise.
„Die Stimme ...", antwortete Strout. „Es kommt mir so vor ..."
Er brauchte nur eine Sekunde, um einen Entschluß zu fassen.
Dann rief er, so laut er konnte: „Artur Prax ... bist du das?!"
Aus dem Qualm kam zunächst kein Laut. Dann, nach einer Weile, war das Schlurfen von Schritten zu hören. Die Silhouette einer langen, hageren Gestalt wurde sichtbar.
„Wenn mich mein Gehör nicht täuscht, ist das unser Mann Strout!" sagte die tiefe Stimme.
Verwundert musterte Reginald Bull den Fremden. Er war etwa siebzig Jahre alt. Er schien an Unterernährung zu leiden oder an irgendeiner auszehrenden Krankheit. Sein Kopf hatte starke Ähnlichkeit mit einem Totenschädel. Artur Prax, den Namen hatte Bull noch gut in Erinnerung. Artur Prax und Joupje Termaar waren die beiden geheimnisvollen Helfer, die Leven Strout bei seiner Flucht aus Terrania City vor Unheil bewahrt und die wenige Tage später dafür gesorgt hatten, daß aus dem Einsatz der OGN im Bezirk Parkutta nur ein Fehlschlag, nicht aber ein Fiasko geworden war.
Seitdem war das Rätselraten groß gewesen, woher diese beiden Männer kamen und auf wessen Anweisung sie handelten.
Sie waren selbst Aphiliker, aber ihre Handlungen waren den Interessen der Regierung entgegengerichtet. Artur Prax hatte den „Chef", den Anführer seiner geheimnisvollen Organisation zitiert, als er sagte, die Immunen seien das Salz der Erde.
Diese Gedanken schossen Reginald Bull im Zeitraum einer Sekunde durch den Kopf. Dann trat er auf den Hageren zu und reichte ihm die Hand.
„Wer Sie auch immer sein mögen", sagte er ernst. „Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen. Ich danke Ihnen dafür."
Artur Prax runzelte die Stirn.
„Dienst? Dank?" wiederholte er mit seiner tiefen Stimme. „Das sind Dinge, von denen ich nichts
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