0738 - Die Nächte der Ratten
teilte Raffael ihm in seiner lautlosen, geisterhaften Weise mit, sind keine wirklichen Träume. Sie sind ein Ruf. Ein Schrei nach Hilfe. Doch als solcher gilt er nicht Ihnen, Monsieur.
»Aber wieso…«
Ein Dämon stirbt und muss doch weiterleben, als Sklave einer anderen dämonischen Existenz. Sein Hilfeschrei wird missbraucht und umgeleitet. Ich sorgte dafür, dass er Sie erreicht.
»Aber warum?«, entfuhr es Zamorra fast wütend. »Was schert es mich, wenn Dämonen sich untereinander umbringen oder versklaven? Sollen sie es doch tun! Je mehr sie sich untereinander beharken, desto weniger Arbeit habe ich!«
Es ist anders, als Sie meinen, Monsieur, erwiderte Raffael. Der Hilferuf gilt der Schwarzen Familie, aber jemand sorgt dafür, dass er diese nicht erreicht, sondern zu Ihnen geleitet wird.
»Das heißt, ich soll einem Dämon helfen?«, entfuhr es Zamorra. »Ich fasse es nicht. Sind Sie noch bei Sinnen, Raffael?«
So wie nie zuvor. Es ist eine Falle für Sie.
Der Dämonenjäger fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
»Ach ja«, erwiderte er. »Und Sie helfen mit, dass ich in diese Falle gehe?«
Ich sorge dafür, dass Sie vorbereitet sind, Monsieur, antwortete der Geist. Sie würden einen Teil dessen, was hier geschieht, auch so begreifen. Aber Sie würden vielleicht nicht die richtigen Schlüsse ziehen. Sie wären nicht gewarnt. Deshalb handelte ich. Ich sorgte dafür, dass der Ruf Sie leichter erreicht, ich zeigte mich, weil ich voraussah, dass Sie mich dann befragen würden. Es schmerzt, aber es war notwendig. Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen. Sie handeln richtig, Monsieur. Tun Sie das auch weiterhin. Sie wissen jetzt, dass es sich um eine Falle für Sie handelt. Das klarzustellen, war meine Absicht.
»Das hätten Sie einfacher haben können«, sagte Zamorra finster.
Viele Dinge, die einfach erscheinen, sind doch sehr kompliziert, widersprach Raffael. Nun, da Sie informiert sind, werde ich die Schutzzeichen wieder erneuern.
»Informiert?«, fuhr Zamorra auf. »Ich weiß immer noch nichts Konkretes! Nur Ihre ominösen Andeutungen.«
Mehr kann ich nicht tun, um zu helfen, klagte Raffael. Es würde meine Existenz gefährden. Es tut mir Leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber in meinem gegenwärtigen Zustand bin ich leider nicht mehr in der Lage, Ihnen so zu dienen, wie Sie es von früher gewohnt sind. Ich unterliege jetzt anderen Gesetzen. Seien Sie wachsam. Sie sollten dem Ruf folgen, aber Sie dürfen dem Dämon nicht helfen.
»Was soll der Unsinn jetzt? Wenn ich es nicht soll, warum haben Sie dann dafür gesorgt, dass sein Hilferuf hierher kommt? Und überhaupt, was ist das für ein Hilferuf? Ich habe noch keinen Schrei gehört.«
Der Hilferuf sind die existenzlosen Träume von Ratten, erklärte Raffael. Seine mentale Stimme verlor mehr und mehr an Kraft. Auch seine Gestalt verlor wieder an Dichte und wurde nebelig-rauchig. Gehen Sie nicht in die Falle, aber machen Sie den Fallensteller unschädlich, denn sonst erwächst Ihnen ein neuer, mächtiger Gegner.
Im nächsten Moment war er verschwunden. Zamorra konnte ihn mit der Beschwörungsmagie nicht mehr halten.
Er seufzte und löschte den Zauber.
Jetzt nahm er seine Umgebung wieder richtig wahr.
Und er fühlte sich überraschend erschöpft.
***
Robin orderte seinen eigenen Dienstwagen und zudem einen Streifenwagen der uniformierten Polizei. Die drei Frauen lud er in seinen Wagen ein. »Am liebsten würde ich euch ja nach Hause schicken, Diana und Mademoiselle Celine, aber vielleicht brauchte ich eure Hilfe noch.« Die von Nicole Duval vermutlich sowieso.
»Wann kriegst du endlich einen neuen Wagen bewilligt?«, fragte Nicole, als sie sich auf dem Beifahrersitz des Citroën XM niederließ. »Den hier fährst du doch schon so lange, dass er fast aus allen Schweißnähten platzt.«
»Sparmaßnahmen«, seufzte Robin. »Solange nicht der Auspuff wegrostet oder der Motor verreckt, keine Chance. Drüben bei den Amis und auch bei den Allemannen gibts beschlagnahmte Gangsterautos für den Polizeieinsatz. Hier in Lyon nicht. Zumindest nicht für die Mordkommission. Dabei könnte mir so ein Cadillac oder ein 600er Mercedes schon gefallen… Aber der XM ist nicht das schlechteste Auto«, sagte er. »Hat nur ein paar kleine Problemchen mit Elektrik und Federung, aber daran gewöhnt man sich. Wer sein Auto liebt, der schiebt.«
Er lenkte den Wagen dem von Nicole vorgegeben Ziel entgegen. Kurz vorher gab er dem Streifenwagen die Anweisung,
Weitere Kostenlose Bücher