0739 - Varneys Rache
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In einem Jahr ist Kronsberg vielleicht nur noch eine Erinnerung, dachte Zamorra bitter.
Dass der Ort vor fast 60 Jahren seinen Untergang selbst heraufbeschworen hatte, machte die Sache nicht besser…
***
Paul Baumeister war nicht gerade begeistert, als er die beiden Franzosen sah.
»Sie haben mir zum meinem Glück gerade noch gefehlt«, sagte er genervt.
Zamorra und Nicole hatten den Weg zur Burg zu Fuß zurückgelegt. Da ihr Wagen nur noch Schrott war, blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig. Die Dorfbewohner hatten im Moment schließlich anderes zu tun, als ungeliebte Ausländer durch die Gegend zu kutschieren.
Im Gegensatz zu ihrem ersten Besuch waren die Arbeiter diesmal schwer beschäftigt. Für Zamorra sah es jedoch so aus, als würden sie die Gerätschaften zusammenpacken und den Aufbruch vorbereiten.
»Wir hauen ab«, bestätigte Baumeister, der Zamorras Blick gesehen hatte. »Das wars dann wohl endgültig. Oder glauben Sie, dass irgendein Trottel sich hierher verirrt, um ein verbranntes Dorf zu besichtigen? Monatelange Arbeit, und alles für die Katz. Wenn das meine Firma wäre, würde ich mich erschießen!«
»Wir brauchen Ihre Hilfe«, sagte Nicole.
»Sicher, was immer Sie brauchen«, erklärte Baumeister mit vor Ironie triefender Stimme. »Was darfs denn sein? Zaubertränke, Silberkugeln, Voodoopuppen?«
»Ein internetfähiger Computer würde uns vorerst helfen.«
»Oh… Im Büro steht einer. Er funktioniert sogar noch. Durch einen Generator sind wir hier oben unabhängig.« Darauf hatten die Dämonenjäger spekuliert, denn im Dorf war die komplette Stromversorgung zusammengebrochen. »Wir haben hier oben allerdings kein Telefon. Sie müssen Ihr Handy benutzen, um online zu gehen.«
Zamorra und Nicole sahen sich an.
»Verstehe«, knurrte Baumeister. »Sie haben kein Handy. Sie kommunizieren normalerweise vermutlich per Telepathie.«
Zamorra verzichtete lieber auf den Hinweis, dass das tatsächlich gelegentlich vorkam.
Der Deutsche griff missmutig in seine Hemdtasche und holte sein Mobiltelefon hervor, das er Nicole in die Hand drückte. »Verhexen Sie's nicht! Das Büro ist gleich da drüben.« Baumeister deutete auf einen Nebeneingang. »Die Treppe hoch, dann die erste Tür links.«
Das Büro war ein mit Karten und Kaffeetassen übersäter Raum mit Blick auf den Burginnenhof. Dort ranzte Paul Baumeister gerade einen Arbeiter an, der ihm nicht schnell genug arbeitete.
»Okay, was suchen wir, Chef?«, fragte Nicole, die es sich vor dem Rechner bequem gemacht hatte.
»Versuchen wir’s mal mit dem Namen Steinbrenner.«
So hieß der Offizier, der das SS-Kommando angeführt hatte. Den Vornamen hatte Zamorras Buch leider nicht verraten.
Nicole gab den Namen in die Maske einer Suchmaschine ein. Innerhalb weniger Sekunden kam das Ergebnis, und es war niederschmetternd.
»Über 350.000 Einträge, das ist ja schlimmer als die Nadel im Heuhaufen.« Nicole stöhnte. Schon auf den ersten Blick erkannte Zamorra, dass es fast unmöglich war, unter den unzähligen Steinbrenners den richtigen zu finden. Da gab es einen Juwelier in Salzburg, eine Kneipe in Darmstadt, einen Hundefriseur in Lippstadt und einen Modedesigner in Schweden. Nur ein finsterer Blutsauger war nicht dabei.
»Der Fluch der Informationsgesellschaft: Wir ersticken in der Datenflut!«, sagte Zamorra frustriert.
»Ich versuche es mal mit verschiedenen Kombinationen«, meinte Nicole.
In der nächsten halben Stunde gab sie Steinbrenners Namen zusammen mit Begriffen wie Weltkrieg, Rumänien, SS oder Nazi ein. Nach mehren Dutzend Durchläufen in den verschiedensten Sprachen wurde eine der von Nicole parallel bedienten Suchmaschinen schließlich fündig.
»Bingo!«, jubelte sie.
Eine politisch mehr als bedenkliche Seite, die den »Helden«, des Zweiten Weltkriegs gewidmet war, listete den Namen auf und lieferte gleich eine kurze Biographie des gesuchten SS-Mannes. Laut Eintrag war Obersturmbannführer Ernst Steinbrenner Sohn einer angesehenen Berliner Bankiersfamilie. 1905 geboren, trat er bereits 1933 der SS bei, in deren Hierarchie er schnell aufstieg. Im Krieg wurde Osteuropa Steinbrenners Einsatzgebiet. 1943 kehrte er von einer geheimen Mission in Rumänien nicht zurück.
Jetzt hatte sie endlich ein paar Anhaltspunkte!
»Seine Familie besaß die Berliner Privatbank. Mal sehen, ob es die noch gibt«, murmelte Nicole und gab den Namen ein.
Das Ergebnis war bemerkenswert.
Die Suchmaschine fand eine ganz Reihe von
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