074 - Der Sohn des Zyklopen
sie dem Zyklopen von hinten auf den kahlen Schädel. Einmal, zweimal, immer wieder - aber Torto schienen die Schläge nichts anzuhaben. Er war entfesselt. Der Schmerz über die Ablehnung seines Sohnes mobilisierte alle seine Kräfte.
„Das werdet ihr mir mit dem Leben bezahlen! Ich werde euch... "
Tirso kam aus seinem Versteck gelaufen. Sein eines Auge war weit aufgerissen; es weitete sich noch mehr, schien immer größer zu werden und ins Riesenhafte zu wachsen. Dorian Hunter war es, als wären sie alle in diesem Auge gefangen: Torto, Miguel, Inez, Chapman und er selbst - und auch Dula, die plötzlich, auf dem hermetischen Kreisel schwebend, auf der Szene erschien.
Und dann zuckte aus dem Auge ein Blitz, traf den Zyklopen am Kopf, schlug in seinem Gesicht ein, wanderte seinen Körper hinunter bis zu den Füßen. Der Riese wankte. Risse bildeten sich überall an seinem Körper, dann fiel er um.
Tirso hatte seine Wahl getroffen. Er hatte sich für seine menschlichen Eltern entschieden. Doch vielleicht war ihm nicht einmal klar, daß er Torto mit seiner magischen Kraft vernichtet hatte.
Er flüchtete sich in die Arme seiner Mutter und preßte sich gegen sie.
Don Chapman schien gar nicht mitbekommen zu haben, was mit Torto passiert war. Als er Dula mit dem hermetischen Kreisel erblickte, da gab es für ihn nur noch sie.
„Dula, nimm mich mit!" rief Chapman ihr zu.
Doch sie lachte ihn aus.
„Triumphiert nicht zu früh!" gellte ihre Stimme vielfach verstärkt durch den Keller. „Was ihr als Sieg über die Mächte der Finsternis wertet, ist in Wirklichkeit der Auftakt zu eurer Niederlage. Tirso ist für die Schwarze Familie verloren, deshalb muß er sterben. Der hermetische Kreisel verleiht mir große Macht über ihn. Mit seiner Hilfe werde ich Tirso vernichten. Aber nicht nur für ihn, auch für euch wird dieses Haus zum Grab werden."
Mit diesen Worten verschwand das teuflische Alraunengeschöpf mitsamt dem hermetischen Kreisel. Dula, das Werkzeug Hekates.
Dorian ahnte, daß Chapman versuchen würde, ihr zu folgen. Doch er kümmerte sich zu spät um ihn. Als er nach dem Puppenmann suchte, war er längst verschwunden.
„Dieser Narr rennt in sein Verderben", murmelte Dorian.
„Was soll nun werden?" fragte Inez Aranaz.
Dorian begegnete ihrem ängstlichen Blick, sah, wie sie Tirso schützend an sich drückte, als befürchte sie, der Dämonenkiller wollte ihm etwas anhaben. Aber Dorian hatte inzwischen erkannt, daß der Zyklopenjunge den rechten Weg gewählt hatte.
„Wir müssen sehen, wie wir uns gegen Eiztari Beltza und seine Männer verteidigen können", sagte Dorian.
Miguel Aranaz kicherte. „Ich bin auf alles vorbereitet. Dieses Haus hält jedem Ansturm stand. Man müßte schon Kanonen auffahren, um es zu erobern."
Es wunderte Dorian nicht, daß Miguel Aranaz sein Haus in eine Festung umgebaut hatte. Schließlich wußte er, daß die baskische Sekte fieberhaft nach dem Zyklopenjungen suchte, und mußte damit rechnen, daß ihre Nachforschungen sie eines Tages zu diesem Haus führen würde. Dennoch erstaunte es den Dämonenkiller, wie gut sich Miguel Aranaz auf eine Verteidigung vorbereitet hatte. Jedes der Fenster war nicht nur durch schwere Eisengitter geschützt, sondern hatte - auch die der oberen Geschosse - zusätzlich Läden aus dicken Holzbohlen, die von innen durch einen schweren Balken verriegelt werden konnten. Diese Läden waren in einem Abteil des Kellers gestapelt.
Dorian und Miguel begannen zuerst damit, sämtliche Fenster abzusichern. Das war in einer halben Stunde erledigt.
In dieser Zeit versuchten die Männer der baskischen Sekte einige Male, die Tür zu erstürmen. Doch diese hielt dem ersten Ansturm stand. Dorian beobachtete aber von einem Fenster der oberen Etage aus, wie Eiztari Beltza von seinen Leuten einen Rammbock aus einem dicken Baumstamm anfertigen ließ.
„Damit werden sie die Tür spielend einrennen", stellte der Dämonenkiller düster fest.
Miguel lachte nur und führte Dorian ins Erdgeschoß.
„Die erste Tür ist kein Hindernis, aber an der zweiten werden sich die Belagerer die Zähne ausbeißen.
Miguel deutete hinter die Anrichte. Dort stand, auf Holzrollen, eine gut fünfzehn Zentimeter dicke Holzkonstruktion, die mit Eisenblättern verstärkt war.
„Ich habe ein ganzes Jahr gebraucht, um diese Türfüllung fertigzustellen", erklärte Miguel. „Sie wiegt fast eine Tonne und paßt genau in den steinernen Türrahmen. Wenn wir sie erst eingepaßt und
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