0740 - Das Blutgespenst
Regina nichts anfangen können. Und doch begriff sie tief in ihrem Inneren, womit sie es zu tun hatte.
Mit einem Gespenst.
Doch was hieß schon Gespenst! War damit auch dieser filigrane grüne Nebel gemeint, der sie plötzlich umhüllte wie ein Damastschleier? Oder vielmehr dieses entfernt menschenähnliche Monster mit der glatten Reptilienhaut. Es drang durch die Frontscheibe des Panda und schwebte in unmittelbarer Nähe von Reginas Gesicht. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. Das Gesicht des gespenstischen Unholds glich eher einer Fratze. Jedenfalls hatte es nichts Menschliches an sich.
Eine Fratze, die Regina aus ihrem Albtraum bekannt vorkam.
»Schon bald ist es so weit…«
Regina konnte nicht sagen, woher diese Worte kamen. Entweder aus dem Nichts oder von unsichtbaren Lippen. Jedenfalls schwieg das Blutgespenst. Und bevor Regina noch einen Entsetzensschrei ausstoßen konnte, war es wieder verschwunden.
Das Mädchen lebte.
Sie verstand den Grund nicht. Aber sie wusste tief in ihrem Inneren, daß sie dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen war…
***
Battaglia rieb sich die Hände.
Dieser kleine Angeber mit dem Fiat Panda war ihm gerade recht gekommen. Ein Bauer auf dem Schachbrett des Zauberers. Wenn alles so lief, wie der Alte es sich zurechtgelegt hatte, würde auch Zamorra keine Bedrohung mehr für ihn sein. Zamorra nicht und auch nicht dieser Signor Eternale, der Freund des Dämonenjägers…
Verwirrung stiften und falsche Spuren legen, das musste nun das Gebot der Stunde sein. Der Zauberer hoffte, dass der aufgeschreckte Aufreißer ihn nicht enttäuschen würde…
***
Ted wollte Gino ins Gebet nehmen. Es interessierte ihn brennend, warum der angebliche Nicht-Mafioso mit einer Zimmerflak in der Tasche durch die Gegend lief.
Vielleicht hat Carlotta ja doch recht, mutmaßte Zamorras Freund. Möglicherweise hat Gino Dreck am Stecken. Aber wieso hat er mich überhaupt hierher geholt?
Eine Frage, die am Besten natürlich Gino selbst beantworten konnte.
Ted nahm an, dass der junge Kollege inzwischen zu seiner Herberge zurückgekehrt war. Falls er nicht dem Leichtsinn verfiel und erneut nach dem Alten suchte. Ted wusste nicht einmal, ob Gino den bereits gefunden hatte. Sie hatten ja noch gar nicht richtig miteinander reden können.
Der Rolls-Royce glitt - fast geräuschlos - langsam durch das nächtliche Dorf. Ted stoppte vor dem Haus, in dem Tina Maggiore gestorben war. Hinter keinem der Fenster brannte Licht. Er schaltete die Innenbeleuchtung des Wagens ein und zog die Beretta hervor. Er warf das Magazin aus, entlud die Waffe und schnupperte an der Mündung. Aus der Pistole war erst vor sehr kurzer Zeit geschossen worden.
Auf wen?
Hatte Gino den Alten etwa doch gefunden und auf ihn geballert?
»Verrückt«, murmelte der Reporter.
Das Magazin war nur noch zur Hälfte gefüllt. Falls nicht vorher schon einige Patronen fehlten, hatte Gino ein ganz nettes Feuerwerk veranstaltet. Ted knipste die Patrone, die er aus dem Lauf gehebelt hatte, in das Magazin und schob das dann wieder in den Griff zurück. Dann löschte er die Leselampen des Wagens und stieg aus. Er stellte fest, dass er Ginos Schlüssel in der Tasche mit sich trug.
Wenn Gino also heimgekehrt war, wie war er dann ins Haus gelangt? Es war nicht üblich, gleich zwei Schlüssel an Pensionsgäste zu verteilen.
Noch ehe Ted weiter darüber nachdenken konnte, lief ihm ein reichlich verwirrt aussehender Angebertyp über den Weg und glatt in die Arme.
Der Reporter stoppte ihn. »Nicht so eilig, Amico«, mahnte er. »Was zur Hölle ist los?«
In der Tat sah der Gigolo aus, als wäre ihm der Leibhaftige begegnet. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er Ted an, er keuchte atemlos. »Da… Da… Der… Der… Das…«
»Mach ein Lied draus, Junge«, empfahl Ted. »Dein phänomenaler Wortschatz reicht dafür wahrlich mehr als aus. In ein paar Wochen bist du die Nummer Eins in den Charts, und dein Finanzamt kassiert die Millionen…«
»He, Mann, willst du mich verarschen?«, rief der Angebertyp schrill. Sein Angst- und Streßschweiß vermischte sich mit seinem lästigen Billigparfüm zu einer ausgesprochen widerlichen Geruchsmischung.
»Achte auf die Geräusche, Ragazzo «, sagte Ted ruhig und dirigierte ihn mit ausgestrecktem Arm auf Abstand. »Erst rempelst du mich an und rennst mich fast über den Haufen, und dann wirst du unhöflich. Was ist passiert? Spukt's noch immer in diesem neckischen Dorf?«
»Mann, woher weißt
Weitere Kostenlose Bücher