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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Spaziergang machen«, erinnerte mich Jessica.
    »Immer doch. Wohin?«
    Sie hob die Schultern. »Ich hatte im Gegensatz zu dir Zeit genug gehabt, darüber nachzudenken. Wir gehen in Richtung St. Moritz, über den See hinweg, dann nehmen wir den nächsten See und landen irgendwann einmal in Sils Maria, wo du ja auch schon zu tun hattest.«
    »Bingo.«
    »Einverstanden?«
    »Sicher.«
    Sie nahm meinen Arm. »Dann komm. Wenn ich schon Urlaub mache, möchte ich etwas von den Tagen haben.«
    »Wem sagst du das, Jessica!« Ich lächelte in mich hinein und dachte daran, daß alles wie ein Traum war. Wie lange hatte ich keinen Urlaub mehr gemacht, keinen richtigen? Jetzt war die Chance da.
    Einfach mal die Seele baumeln lassen, spazierengehen, in den Tag hineinleben und sich wohl fühlen.
    Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein…
    ***
    Dagmar war mit dem Jungen eingestiegen und hatte ihn vorgehen lassen. Ein lächelnder Wagenbegleiter erwartete sie, grüßte höflich und fragte, ob er ihnen behilflich sein könnte.
    »Ja, bitte. Unser Abteil…«
    »Wenn Sie mir die Nummern sagen.«
    »Das sind vierundsechzig und fünfundsechzig.«
    »Die beiden Plätze liegen in der Mitte.«
    »Dann finden wir sie auch, danke.«
    Dagmar trug den Koffer, während Elohim dicht hinter ihr ging. Im Vergleich zu draußen herrschte im schmalen Gang eine beinahe bullige Hitze. Nicht alle Abteile waren schon belegt. Viele Türen standen offen, auch die zu ihrem Abteil, wo Dagmar sofort die Heizanlage herunterdrehte, damit warme Luft durch kalte ausgewechselt werden konnte. »In der Hitze kann ja niemand schlafen.«
    »Das stimmt.«
    Dagmar lächelte ihrem Schützling zu, der sich auf das untere Bett gesetzt hatte und vor sich hinstarrte. Sie wuchtete die Reisetasche hoch in die Gepäckablage und ließ ihre sackähnliche Umhängetasche zu Boden gleiten.
    »Wo möchtest du schlafen, Elohim?«
    »Oben?«
    »Meinetwegen.«
    »Wenn ich schlafen kann.«
    »Irgendwann fallen dir die Augen zu, glaub es mir.«
    Elohim hob die Schultern. Er trat ans Fenster und befreite es von dem Rollo. Als es nach oben fuhr, konnte er auf den Bahnsteig schauen, und er dachte wieder an die tote Frau unter dem Gepäckwagen. Sie war von Dagmar weit unter das Gefährt geschoben worden. Er hörte, wie sie kam und sah auch ihren Schatten in der Scheibe. Dicht hinter dem Jungen blieb sie stehen. Ihr Atem berührte sein Haar.
    »Du weißt, woran ich denke?«
    »Natürlich. Aber mach dir keine Sorgen. Man wird sie so schnell nicht finden, und wenn sie in den Morgenstunden entdeckt wird, dann wird sich die Todesursache als Herzschlag herausstellen. Da brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen.«
    Elohim nickte. »Um sie auch nicht.«
    »Sondern?«
    »Mehr um ihr Wissen. Sie… sie hat etwas gespürt. Ich frage dich, wer sie war?«
    »Eine Pennerin.« Die Antwort klang verachtend.
    »Nicht nur«, flüsterte der Junge und schaute gegen die Scheibe, wo sich sein Gesicht wie ein Schatten abmalte. »Da war noch etwas anderes, Dagmar, das weißt du genau.«
    »Deshalb lebt sie auch nicht mehr.«
    »Sie hat das Zweite Gesicht besessen.«
    »Stimmt.«
    Er sprach weiter. »Es gibt nur wenige, die das Zweite Gesicht haben. Ich… ich fürchte mich nicht gerade, aber ich habe das Gefühl, daß sie uns auf der Spur sind.«
    »Glaubst du das?«
    »Ja. Und deshalb fühle ich mich nicht sicher. Auch nicht in diesem Zug, Dagmar. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Vor uns liegt eine Nacht, liegen schlimme Stunden.«
    »Nein, Elohim.«
    »Warte es ab.« Er schwieg, schaute auf den Bahnsteig, und beide spürten sie den Ruck, als sich der Zug in Bewegung setzte. Es sah so aus, als würde der Bahnsteig vor ihnen davonhuschen und einfach weg in die Dunkelheit gleiten.
    Elohim drehte sich um.
    Dagmar stand vor ihm. Sie war sehr groß und wirkte wie ein Felsen, der alle Unbillen von ihm abhalten wollte.
    Sie lächelte, nickte und flüsterte: »Jetzt sind wir weg.«
    »Willst du dich hinlegen?«
    »Noch nicht.«
    »Ich kann nicht schlafen.«
    »Bitte, warte es ab.«
    Sie hatten die Abteiltür geschlossen und schraken zusammen, als diese aufgezogen wurde. Der Zugbegleiter stand auf der Schwelle. Er war ein junger Mann mit dunklen Haaren, die er glatt nach hinten gekämmt trug. Er bat um die Ausweise und auch darum, daß die Zollerklärungen ausgefüllt wurden.
    »Das mache ich sofort.« Dagmar schrieb und erklärte, daß sie nichts zu verzollen hatten. Der Mann bekam auch die Ausweise, bedankte sich

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