0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick
treffen, aber er war nun mal hier, er war keine Fata Morgana, sie hatte sich nicht getäuscht. Urlaub…
Sie lachte, als sie daran dachte. Es würde ein Urlaub für ihn in der Hölle werden. Sie hatte ihn mit der Frau gesehen, dieser eifersüchtigen Blondine. Am frühen Morgen war sie nicht dazu gekommen, mit ihm zu reden, sie hatte es auf eine andere Tour versuchen müssen, und es war auch gelungen.
Bestimmt hatte er ihre Nachricht gelesen und war gespannt darauf, mit ihr in Kontakt zu treten. Wie und wo, das würde sich noch ergeben. An der Bar möglicherweise, alles war drin. Aber auch im Hotel in der Lobby oder in der Halle.
Egal, wo dieses Treffen auch stattfand, sie würden ständig unter Beobachtung stehen.
Und das war schlimm.
Die andere Seite hörte und- sah alles. Im Gegensatz zu Franca, denn sie hörte nicht, wie die Tür des Zimmers von außen geöffnet wurde und eine in einem dunklen Handschuh steckende Hand erschien, deren Finger sich um die Türkante klammerten…
Franca bekam Besuch.
Die andere Seite reagierte schnell und tödlich…
***
Als ich mich auf den Rückweg zum Hotel machte, überfiel mich ein gewisses Unbehagen. Ich dachte darüber nach, konnte es jedoch nicht klar definieren. Es war ein erster Schub der Angst, die in meinem Innern hochwirbelte und mich kribbelig machte. Angst vor der unmittelbaren Zukunft.
Langsamer als gewöhnlich schritt ich über den schmalen Gehsteig. Es wurde hier kein Salz gestreut, nur Sand. An vielen Stellen war der Schnee auch weggetaut, dann knirschte unter meinen Schuhen der Sand.
Hin und wieder - besonders an den schattigen Stellen - hatten sich Eisbuckel oder glatte Flächen gehalten, die sehr gefährlich werden konnten. Einheimische und Touristen hatten sich dagegen gewappnet. Sie trugen Schuhe mit Spikes. Der Atem dampfte vor meinen Lippen. Links und rechts der Straße zeigten die hellgrauen Fassaden der Häuser eine Front, manchmal durch Erker unterbrochen.
Um diese Zeit war die Sonne so weit gewandert, daß sie ihren Schein in die Straße schickte. Sie hatte eine gelbe Farbe angenommen und stand im Blau des Firmaments wie ein dicker Klecks weicher Butter. Ohne Sonnenbrille konnte ich mich nicht bewegen und sah immer wieder nach vorn.
Der Verkehr war hier durch eine Ampelanlage geregelt worden, er kam stets aus einer Richtung.
Momentan näherten sich die Autos in meinem Rücken, überholten mich mit knirschenden Geräuschen, und so manches Mal spritzten kleine Steine gegen meine Beine. Dann trat die Phase der Ruhe ein. Es dauerte etwas, bis der von unten her kommende Gegenverkehr freie Bahn hatte.
Die Ruhe überfiel mich nicht.
Im Gegenteil, bei mir stieg die Nervosität. Ich spürte auf dem Rücken ein Kribbeln, und diese Gänsehaut erstreckte sich schließlich auf mein Gesicht. Mir war so, als würde eine wichtige Entscheidung unmittelbar bevorstehen. Der Gegenverkehr rollte an. Ich hatte das Hotel mit dem großen Innenhof noch nicht erreicht, als der erste Wagen anfuhr. Eng drückte ich mich gegen die Hauswand, damit mich der mit rückkehrenden Skifahrern besetzte Bus nicht streifte.
Doch die Fahrer hatten Routine. Sie rollten sicher vorbei.
Dem Bus folgte ein japanischer Geländewagen, dahinter sah ich einen dunklen Volvo der 900er Klasse. Er rollte langsam heran, als wollte er sich anschleichen. Die Sonne streifte mit ihren Strahlen sein schwarzes Verdeck, das mir trotzdem nicht heller vorkam. Da schien das Metall die Strahlen einfach aufzusaugen. Ich ging nicht mehr weiter.
Etwas störte mich.
Vielleicht der Wagen?
Der Fahrer setzte das rechte Blinklicht. Für mich ein Zeichen, daß er den Volvo in den Innenhof des Hotels lenken wollte, wo es auch einige abgeteilte Parktaschen gab, die ein offenes Viereck um einen gewaltigen Schneehaufen in der Mitte bildeten.
Der Volvo rollte hinein.
Was mich dazu trieb, meine Schritte zu beschleunigen, wußte ich auch nicht. Irgendwie war mir der Wagen trotz seiner Normalität ziemlich suspekt. Als ich den Innenhof des Hotels erreichte, war er schon bis vor das Haus gerollt. Zwei Bedienstete eilten herbei und öffneten die Türen, damit die Fahrgäste aussteigen konnten. Ich hatte gesehen, daß mehrere Personen im Fahrzeug saßen.
Langsam ging ich näher. Der Innenhof besaß eine Schräge, war aber vom Schnee befreit worden, so daß niemand in Gefahr lief, auf einer Eisfläche auszurutschen.
Eine Frau verließ den Wagen. Sie war überdurchschnittlich groß, trug einen hellbraunen Pelzmantel,
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