0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick
der in seiner unteren Hälfte, bei jeder Bewegung wie eine Glocke schwang.
Sie blieb einen Moment stehen, schaute sich um, bevor sie sich der Fahrerseite des Wagens zudrehte. Sie bückte sich, sprach etwas, und gleich-. zeitig wurde die Tür aufgestoßen.
Zuerst erschien der Fahrer.
Er trug die graue Uniform eines Chauffeurs, hatte die Mütze abgenommen und eilte um sein Fahrzeug herum, damit er die zweite Fondtür aufziehen konnte. Das verwehrte ihm die Frau. So laut, daß ich es hören konnte, rief sie: »Laß es!«
»Sehr wohl.«
Als der Fahrer sich zurückgezogen hatte, setzte sich die Person im Pelzmantel, in Bewegung und öffnete die Fondtür höchstpersönlich, um den Gast aus dem Wagen zu lassen.
War es ein Mann?
Ich konnte es nicht genau erkennen, weil mir der Schneeberg leider den Blick verdeckte. Rasch ging ich weiter. Bei endlich freier Sicht mußte ich feststellen, daß die Person schon ausgestiegen war. Es war ein Junge, eingehüllt in einen langen blauen Mantel, der eher wie ein Umhang wirkte. Die Frau, ob es seine Mutter war, wußte ich nicht, legte beschützend den Arm um ihn, bevor die beiden auf den Eingang des Hotels zuschritten und sich die erste Glastür vor ihnen auseinanderschob. Andere kümmerten sich um das Gepäck. Die Arbeit wurde von den beiden Mitfahrern überwacht. Ich ging jetzt schneller. Mich würde niemand aufhalten, denn ich gehörte zu den normalen Hotelgästen. Etwas trieb mich an. Es war ein innerer Motor, der mich so handeln ließ, und sehr bald nach den Neuankömmlingen erreichte ich die Rezeption des Hotels. An ihr hielten sich der Junge und die Frau auf, umsorgt von drei Angestellten, zwei Männern und einer Frau.
Ich ging zur rechten Seite, weil dort mehr Platz war und man eine Stellwand aufgebaut hatte, die in zahlreiche Fächer unterteilt worden waren. In ihnen steckten die Prospekte der Umgebung und auch die anderer Hotels. Dort baute ich mich auf, schielte aber auf das so unterschiedliche Paar, das eine Suite gebucht hatte und noch immer mit einer schon »überstarken« Höflichkeit behandelt wurde.
Das war schon nicht mehr normal.
Der Junge trat von einem Fuß auf den anderen. Manchmal hob er auch beide Schultern und ließ sie wieder sacken. Er sah aus wie jemand, der sich nicht wohl fühlte.
Plötzlich drehte er sich um.
Er schaute mich an.
Ich blickte zurück. Und ich hatte das Gefühl, hinter dem blassen, jugendlichen Gesicht die grauenhafte Fratze des Todes zu sehen…
ENDE des ersten Teils
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