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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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werden. Und hier ist es eng, so eng wie in einem Grab.«
    »Davon bist du noch weit entfernt, Kleiner, wenn überhaupt«, erwiderte sie doppeldeutig.
    »Was meinst du?«
    »Leg dich hin und schlaf.«
    Das tat der Junge nicht. Statt dessen nahm er eine angespannte Haltung ein, weil er aus dem Nachbarabteil ein Geräusch gehört hatte. Dort war die Tür geöffnet worden. Ein Koffer wurde in das Gepäcknetz gewuchtet. Das geschah mit einem dumpfen Geräusch.
    Dann war es wieder still.
    »Da ist jemand eingestiegen!« flüsterte Elohim.
    »Stimmt. Na und?«
    »Es war der Mann mit dem Hut, Dagmar. Ja, es war der mit dem Hut. Das weiß ich genau.«
    Sie lächelte. »Bei diesem Wetter tragen viele Menschen einen Hut, mein Kleiner.«
    Der Junge seufzte. »Du… du… willst mich nicht verstehen, glaube ich. Wir treten keine normale Reise an. Die… die anderen erwarten uns. Ich weiß das. Wir wollen uns treffen. Es muß etwas geschehen. Ich bin ja auserwählt.«
    »Das bist du.«
    »Aber wir haben Feinde. Viele Feinde.«
    »Wir sind ihnen entkommen, Elohim.«
    »Und die Frau auf dem Bahngleis?« flüsterte er. »Was war mit ihr? Kannst du mir das sagen?«
    »Ein Zufall.«
    Elohim schaute zu Boden. Der Zug hatte den Bahnhof verlassen und rollte durch die Nacht. »Ja«, sagte er, »ja, ich hoffe, daß es ein Zufall gewesen ist.«
    »Bestimmt.« Dagmar griff zum Rollo und zog es vor die Scheibe. Das war ähnlich wie im Kino, wenn das Licht verlöschte. Ein Kapitel lag hinter ihnen, das nächste begann.
    Dagmar klemmte die Leiter fest, daß der Junge in sein oberes Bett klettern konnte. »Das wolltest du doch, nicht wahr?«
    »Sicher.«
    »Dann gute Nacht.« Sie umarmte ihn und spürte, wie er zitterte. Die Schuhe zog er sich noch aus, ansonsten blieb er angekleidet, als er die Leiter hochstieg und sich schließlich hinlegte.
    Es gab mehrere Lichtquellen in der kleinen Kabine. Elohim wollte es nicht völlig dunkel haben. Mit leiser Stimme bat er, die Lampe über der Tür brennen zu lassen.
    »Wird gemacht. Du kannst auch das Deckenlicht anknipsen. An deiner Wand sind die gleichen Schalter wie bei mir.«
    »Nein, nein, schon gut.«
    »Schlaf jetzt.«
    »Hm…«
    Der Junge lag auf dem Rücken. Er mußte sich erst an das Schaukeln der Wagen gewöhnen. Links von ihm war ein Fangnetz am Bettrand befestigt worden, das ihn abfing, sollte er mal zur Seite geschleudert werden. Er hörte, daß sich auch Dagmar niederlegte und sich mit einem wohligen Seufzen auf den Lippen ausstreckte.
    Sie hatte es gut. Ihre Nerven waren ausgezeichnet. Sie hatte auch Vertrauen in ihre eigene Stärke.
    Sie würde bestimmt auch einschlafen können, das stand fest.
    Nicht so Elohim.
    Er lag wach, lauschte den Geräuschen. Er konzentrierte sich auf die Schwankungen des Wagens, die ihm das Gefühl gaben, wegzufliegen, wenn er die Augen geschlossen hielt. Die Strecke am Rhein entlang war kurvig, da würden die Wagen noch lange schaukeln und schwanken. Es konnte auch nicht schnell gefahren werden, weil es einfach zu viele Kurven gab. Daran mußte man sich gewöhnen.
    Dagmar hatte es da besser. Schon nach wenigen Minuten war sie eingeschlafen. Trotz der Geräusche hörte Elohim ihre tiefen Atemzüge. Das konnte nicht gespielt sein.
    Er wollte sichergehen, beugte sich zur Seite und schaute durch das Netz nach unten.
    Er sah ihre Gestalt ausgestreckt auf dem Rücken liegen. Das Gesicht schimmerte bleich. Wie er feststellte, hielt sie ihre Augen tatsächlich geschlossen.
    Er lächelte, fuhr über sein Gesicht. Zeichnete die Lippen nach. Fühlte nach seinem Herzschlag. Es sah aus, als wollte er testen, ob er noch ein normaler Mensch war.
    Der Zug rollte weiter.
    Hin und wieder zitterte das Rollo. Elohim überlegte, ob er es in die Höhe ziehen sollte. Er entschied sich dagegen, das Geräusch hätte Dagmar möglicherweise geweckt, und das wiederum wollte er nicht. Er mußte mit seinen Problemen allein fertig werden.
    Er schaffte es einfach nicht, seine Gedanken auf die Zukunft zu konzentrieren, die für ihn nur positiv verlaufen konnte. Die lag noch weit vor ihm, auch wenn es nur ein halber Tag war, der ihn davor trennte. Doch in der Zwischenzeit konnte sehr viel geschehen, und davor fürchtete er sich, wenn er ehrlich war. Seine Feinde kannten keine Gnade. Die würden alles einsetzen, um ihm zu schaden.
    Er drehte sich nach rechts.
    Schwarzgrau wuchs der Schatten der Trennwand vor ihm hoch. Wie die Innenseite eines Sargs.
    Immer wieder kam ihm dieser Vergleich in den

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