0743 - Die Kinder des Adlers
Geschichte der Eroberung Amerikas hatte er von Diego Alvarez de Almada und seinen Leuten gelesen, die ausgezogen waren, El Dorado zu suchen. Sie tauchten mehr auf. Nun wusste er, dass die Conquistadoren El Dorado gefunden hatten. Und dass es ihre eigene Gier war, die sie auf dem Rückweg umgebracht hatte.
Etwas glitzerte in dem zertrampelten Gras. Zamorra bückte sich und hob den Gegenstand auf. Es war ein wundervoll gearbeitetes goldenes Amulett. Schwer lag es in der Hand, schmeichelte sich förmlich ein mit seinem Glanz und dem Gewicht des Goldes. Für einen Augenblick schwankte der Dämonenjäger. Das Amulett war mit geheimnisvollen Zeichen übersät, ein Kunstwerk und zugleich ein Studienobjekt und vielleicht - nein, sicherlich - eine machtvolle magische Waffe. Mit jeder Sekunde, die Zamorra das Amulett in der Hand hielt, wuchs die Gewissheit, dass er diesen Gegenstand nie mehr los lassen würde. Komme was wolle, dieses Ding gehörte ihm, und er würde es mit Zähnen und Klauen verteidigen und es mit niemandem teilen. Es war seins, seins, seins…
Schweiß trat auf die Stirn des Dämonenjägers. Er knirschte mit den Zähnen, wand sich mit zitternden Muskeln vor Anstrengung und Qual. Dann brachte er den Arm nach hinten und schleuderte das Amulett in weitem Bogen in den Fluss. Das Gold fing im Flug das Sonnenlicht ein und leuchtete wie ein Meteor.
Sobald das Wasser das Amulett verschlungen hatte, war der Bann gebrochen.
Zamorra kniete am Ufer nieder und wusch sich den Schweiß aus dem Gesicht. Dann durchschritt er die Furt. Es war erstaunlich leicht. Als er angekommen war, hörte er auf der Seite, die er eben verlassen hatte, erneut die streitenden Stimmen der Spanier…
***
»Soll ich klopfen?« Der Mann, der Saramango begleitete, hob die Faust, ließ sie aber über der verwitterten Tür schweben. Seine Angst war offensichtlich.
Der zweite Begleiter Saramangos schob den Zaudernden zur Seite. Es war ein groß gewachsener Indianer mit schwellenden Muskeln, die jedem Anabolika schluckenden Profi-Body-Builder Ehrfurcht abverlangt hätte. Auf seiner linken Schulter war ein stilisierter Adler eintätowiert. Der Mann pochte zweimal und drückte dann auf die Klinke.
Knarrend schwang die Tür zur Seite. Der schlanke, weiß gekleidete Mann, den sie Saramango nannten, trat ein.
Er brauchte eine Weile bis sich seine Augen an das Halbdunkel in Inneren des Raumes gewöhnt hatten.
Ein Kichern zeigte ihm die Richtung, in die er den Kopf wenden musste.
Auf einem Schemel saß eine Frau -vielmehr ein Wesen, denn in dem Gesicht hatte das Alter nichts gelassen, was auf die Geschlechtszugehörigkeit gedeutet hätte. Zerfurcht und eingefallen erinnerte dieses Gesicht an einen Puppenkopf, der durch Hitze aus der Form geraten ist. Das Gesicht hatte zwei unterschiedliche Hälften. Die eine wies einen schmalen, hängenden Mund auf, auch das Augenlid hing schwer über einem trüben, blinden Auge. Die andere Seite zeigte dieselben schmalen Lippen, aber mit einem energischen Zug in den Mundwinkel und ein dunkles, stechendes Auge. Eine blonde Lockenperücke saß auf dem Kopf und gab dem Schädel genau jene Prise Lächerlichkeit, die ihn vollends abstoßend machte. Erst die leise, heisere Stimme zeigte, dass dieses Wesen tatsächlich eine Frau war.
»Welche Ehre, der große Saramango in meinen bescheidenen Gemächern«, krächzte sie.
»Halt's Maul!«, fuhr Saramango sie grob an. »Ich habe keine Lust auf deine Sticheleien. Es gibt Arbeit.«
Ein leises Lachen schüttelte die Kunststoff-Perücke.
»Was würdest du zu Maria kommen, die viele Dinge weiß, wenn sie nicht auch wüsste, dass du wegen Arbeit kommst?«
»Du stiehlst mir die Zeit, Weib, mit deinem Gewäsch. Was siehst du?«
»Dinge, die dich nicht erfreuen werden, großer Saramango.«
Saramango stützte sich auf dem wackelnden Tisch, hinter dem die Alte saß und bohrte seine Blicke in ihr Auge. Sie hielt seinem Blick stand, im Gegenteil war er es, der die Augen schließlich senkte.
»Was hält mich ab, dir die Kehle durchzuschneiden, du widerliche Vettel«, knirschte der Mann.
»Falls du es wissen solltest, sage es mir, ich weiß es nämlich nicht.«
Auf Saramangos Stirn bildeten sich pulsierende Zornesadern, wie Schlangen, die sich auf einem Stein sonnen.
»Sag es mir«, keuchte er, jeden einzelnen Buchstaben mühsam durch die zusammengebissenen Zähne quetschend.
»Eine Frau kommt. Sie ist gefährlich. Und ein Mann ist in den Wald gekommen.«
Saramango fuhr bei
Weitere Kostenlose Bücher