0743 - Die Kinder des Adlers
diesem Satz hoch und schlug sich vor Wut die Faust in die Handfläche. »Wer ist es? Sag schon, du Stück Dreck! Sag, wer ist es?«
»Ich weiß es nicht. Aber er ist mächtig.«
»Mächtig?« Saramango fuhr bei diesem Wort auf die Frau zu.
Diese blieb völlig ruhig. »Er hat gewaltige Macht. Aber er ist geschwächt und verwirrt. Der Wald bringt ihn sicherlich um.«
»Und die Frau?«
»Sie kommt, um den Mann zu suchen.«
»Kennt sie die Zusammenhänge?«
»Nein, noch nicht. Sie ahnt vieles. Ihre Verbindung zu dem Mann ist stark. Sie liebt ihn. Aber sie weiß nichts. Trotzdem: Eine Frau, die du fürchten solltest, großer Saramango.«
Saramango schritt für eine Weile mit verschränkten Armen durch den Raum. Dann wandte er sich wieder der Frau zu.
»Du musst verhindern, dass diese Frau bis hierhin kommt«, sagte er. »Kannst du das?«
»Sie ist in meinem Bereich.«
»Dann töte sie!«
»Um ein Leben zu nehmen, muss man ein Leben geben, Saramango.«
Saramango wandte sich zur Tür. »Meine Männer werden dir sofort einen Hahn besorgen.«
Die Frau schüttelte nur den Kopf.
»Was willst du dann, Miststück? Zwei Hähne? Ein Schwein?«
Statt einer Antwort kicherte die Frau nur und ihr sehendes Auge glitzerte gierig. Saramango fuhr sich über das Gesicht. Schließlich schob er den Kopf durch die Tür und flüsterte mit dem tätowierten Hünen.
Dann senkte sich Schweigen über beiden Personen. Saramango hatte sich einen zweiten Schemel genommen und saß nun mit einer Art von routinierter Unverschämtheit, den Rücken an der Wand, die Füße auf den Tisch gelegt und beherrschte den Raum.
Die Frau schien seine provozierende Haltung nicht zu bemerken. Sie war in eine Starre gefallen, saß gebeugt, die Unterarme auf den Platz gelegt, den Saramangos schmutzige Stiefel auf dem Tisch noch freiließen und rührte sich nicht. Nur ihr schnarchender Atem zeigte, dass sie noch lebte.
Nach einiger Zeit klopfte es an der Tür. Saramango sprang auf und nahm ein Bündel in Empfang. Er legte es auf den Tisch und schob die schmutzige Decke zur Seite.
»Ist es so genehm?«
Die Alte stand auf und betastete den mageren Leib des Säuglings.
»Was ist mit der Mutter?«
»Eine Nutte. Sie ist froh, dass sie das Balg los ist.«
»Gut, ich brauche Wasser. Und hol mir die Schale!«
Ohne Zögern gehorchte Saramango.
Als das Blut in die Schale tropfte und rosafarbene Schleier bildete, kam aus dem Mund der Alten ein leiser, schriller Gesang…
***
Der Pilot stutzte und brach dann in eine Folge heiserer Flüche aus.
»Was ist?« Nicole Duval beugte sich über die Lehne des Vordersitzes. Obwohl der Wind durch die Ritzen pfiff, stank das Innere des Flugzeugs nach Benzin, und diese betäubenden Dämpfe, ebenso wie die Anstrengung der Reise, hatte Nicole einschlafen lassen.
Anstatt einer Antwort deutete Robert Tendyke stumm nach vorne. Nicole schaute auf die Uhr. Sie waren ungefähr vier Stunden in der Luft. Dann registrierte sie, was die beiden anderen auch erkannt hatten. Sie spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufrichteten.
Hinter der blitzenden Scheibe des Propellers verschwand der Horizont in einem trüben grauen Dunst. Einige Sonnenstrahlen ragten wie Stacheln aus der Gewitterfront und rissen goldgrün leuchtende Oasen aus dem Teppich des Regenwaldes. Dann verschwanden auch sie, und der Dunst verschluckte den Himmel und die Erde und saugte sie in ein farbloses Nichts.
»Können wir nicht umkehren?«
Auf diese Frage Tendykes schüttelte der Pilot nur den Kopf. Der Grund war klar - der Rückweg war länger als der Rest des Fluges und der Treibstoff im Tank würde nicht reichen.
Das Licht schwand immer mehr. In dem engen Cockpit schimmerten die Instrumenten bläulich, sonst konnte man kaum die Hand vor Augen erkennen.
Die träge Maschine begann zu tänzeln. Abwinde packten sie wie eine unsichtbare Faust und drückten sie in Richtung Boden. Der Motor heulte auf, Instrumentenzeiger rannten hektische Runden über ihre Zahlenkreise, dann fing sich die Maschine, pendelte ein und gewann mühsam wieder an Höhe. Das Knacken der Verstrebungen und das Schwappen des Benzins übertönten fast die Flüche des Piloten.
In der milchigen Düsternis flackerte ein grelles Licht auf. Die Elektrizität war in der Luft spürbar. Als sich Tendyke vorbeugte, sah er an der Flügelspitze grünliche Elmsfeuer tänzeln. Dann krachte der Donner, überall brach er los, oben, unten, an den Seiten. Die Luft vibrierte, sodass das Krachen auch
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