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0743 - Die Kinder des Adlers

0743 - Die Kinder des Adlers

Titel: 0743 - Die Kinder des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Austin Osman
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ich könnte durchaus ein paar neue Klamotten gebrauchen…«
    ***
    Amazonasgebiet, Spätsommer 1521
    Die Holzschlegel trommelten auf den ausgehöhlten Baumstamm und hackten einen tiefen, harten Rhythmus aus diesem Instrument. Die Schläge kamen schneller und schneller, bis sie die Luft über dem Dorfplatz zum Schwingen brachten.
    In der Mitte des Platzes prasselte ein großes Feuer. Sein flackernder Schein riss die Gesichter der Menschen aus dem nächtlichen Dunkel, warf ein nervöses Spiel von Licht und Schatten über die zum Platz hin offenen Strohhütten.
    Die Funken tanzten und schwebten hinauf in den sternenübersäten Himmel, und aus der nächtlichen Schwärze wiederum stürzten sich hellgraue Falter in die Helligkeit der Flammen.
    Durch das Prasseln des Feuers und das Hämmern der Baumtrommel drangen die Geräusche des Urwalds. Affen kreischten, Vögel schrien, Insekten zirpten, ein Raubtier brüllte.
    In der Mitte des Platzes, so nahe am Feuer, dass es ihn fast verbrennen musste und dass er in der kochenden Luft zu schwimmen schien, saß eine Gestalt.
    Es war ein uralter, glatzköpfiger Mann. Seine nackten Arme und Beine waren dürr und wirkten wie trockenes Geäst. Ein bunt verzierter Umhang lag auf seinen Schultern. Dies war der einzige Hinweis auf die Würde, die der Alte bekleidete.
    Es war Yurumo, zugleich Häuptling, Medizinmann, Seher und Ältester des Dorfes. Er saß unbewegt, den Kopf auf die eingefallene Brust gelegt, und schien zu schlafen.
    Diejenigen, die ihn aus dem Schatten heraus beobachteten, kannten diese Haltung. Oft, schon seit der vorletzten Regenzeit, hatte Yurumo so gesessen und auf seine inneren Stimmen gelauscht.
    Stimmen, die immer bedrohlicher wurden. Stimmen, die warnten und mahnten und drohten. Der alte Yurumo hatte Visionen, die ihn in der Mitte des Tages, Unter der Helligkeit der Sonne befielen. Er sprach von einem Adler, der über dem Wald schwebte und Veränderungen brachte. Ebenso berichtete er von weißen Termiten, die sich aufmachten, den Wald und alle Bäume zu fressen.
    Sein Volk, das sich einfach »Blattmenschen«, nannte, weil es zum Wald gehörte wie die Blätter der Baumriesen, war besorgt. Yurumo war die Seele des Dorfes, und wenn sich Furcht in diese Seele einschlich, dann beeinflußte das die Stimmung des gesamten Volkes.
    Schließlich war es der Alte selbst gewesen, der eine Entscheidung traf.
    »Die Dinge kommen näher. Die Knoten werden festgezogen«, hatte er vor einigen Tagen erklärt. »Wir müssen singen und tanzen und feiern, damit wir die Ereignisse unter unsere Flügel bekommen und auf dem, was geschieht, schweben wie ein Adler im Aufwind.«
    Die Blattmenschen hatten gegen eine Feier nie etwas einzuwenden gehabt. Und nun dienten schon die Vorbereitungen dazu, die Stimmung im Dorf wieder zu heben.
    Die sechs Trommler bearbeiteten geradezu wütend den Baumstamm. Ihre Körper glänzten schweißnass im rötlichen Flackerlicht.
    Ein Schrei gellte aus dem Dschungel. Schrill, scharf und unmenschlich. Die Trommel setzte aus. Für einen Moment herrschte völlige Stille.
    Dann rauschten Blätter, Äste knackten. Stimmen erhoben sich, schrien wütend und schmerzerfüllt, wurden lauter und fanden sich zu einer dumpf-beschwörenden Melodie.
    Aus dem Wald brachen sie herein. Raubtierhaft gefleckte Körper, Gestalten von grellem Weiß, totenkopfartige Gesichter mit schwarzen Streifen über der Augenpartie. Die Horde eroberte den Dorfplatz, rannte schreiend umher, bis sich die Rufe wieder zu einer Melodie fanden. Während sie sangen, vereinten sie sich, bildeten eine Reihe und fielen in einen stampfenden Rhythmus. Aus den vielen Männern schien eine einzelne Kreatur zu werden - ein Wesen mit vielen Armen und Beinen, die dennoch einem einzigen Willen unterworfen waren. Die Männer schwangen ihre Speere und stampften ihren Tanz in den Boden des Dorfes. Jede ihrer kraftvollen Bewegungen, jeder Ton ihres Liedes drückte Freude am Abenteuer, an der Jagd, am Kampf aus.
    Ein anderes Lied mischte sich nun in den rauen Gesang der Männer. Begleitet von süßem Flötenklang tanzten die Frauen aus dem Wald. Sie brachen nicht auf den Platz, wie es die Art der Männer war, sondern sie huschten hinein, sanft und lieblich wie der feine Regen, der die Erde labt.
    Die Frauen bildeten einen Kreis um die Männer, die weiterhin kraftvoll und wild ihren stampfenden Reigen tanzten.
    Die Zeit verging, und immer noch bewegten sich die Tänzer unermüdlich. Manchmal stürzte ein Mann aus dem

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