0744 - Im Land der Spinnen

einmischen.«
    »Werd nicht frech!«, warnte Nicole.
    »Eben weil es eine Familienangelegenheit ist, mische ich mich ein«, sagte Zamorra. »Lass dir bei Gelegenheit von deiner Mom erklären, wie ich zu deiner Familie gehöre.« Vor sehr vielen Jahren war Zamorra wahrhaftig von Sir Bryont ap Llewellyn in dessen Clan adoptiert worden! Irgendwann, wenn die Erinnerung in Rhett erwachte, würde auch er es wissen…
    Zamorra ging zu einem der Korridorfenster und öffnete es. Kalte Dezemberluft drang herein. Nicole fröstelte und wich weiter zurück. Zamorra deutete auf Rhett und den Fliegenschwarm, den der Junge immer noch festhielt.
    »Ab nach draußen damit, aber fix«, ordnete der Professor an.
    »Wirklich?«
    Zamorra holte tief Luft.
    »Ja, schon gut«, maulte der Junge und dirigierte den Schwarm zum Fenster und hinaus.
    »Chef, du zerstörst damit ein wissenschaftliches Experiment von weltrettender Bedeutung«, sagte Fooly Zamorra schloss das Fenster wieder.
    »Dann nimm Papier, Tintenfass und Federkiel, verzieh dich in dein Zimmer und komm nicht eher wieder heraus, ehe du nicht einen detaillierten Bericht über dieses Experiment geschrieben hast. Idee, Organisation, Durchführung, Resultat. Wenigstens hundert Seiten - und nicht in so großer Schrift, dass gerade mal ein Wort auf eine Seite passt!«
    Verdutzt betrachtete Fooly seine Hände. Drei Finger und ein Daumen, und alles krallenbewehrt.
    »Schreiben?«, fragte er recht unglücklich. »Meinst du das ernst, Chef?«
    »Wissenschaftler schreiben immer über ihre Experimente. Und zwar sehr detailfreudig. Abmarsch, Herr Wissenschaftler!«
    »Moment noch«, wandte Nicole ein. »Diese Zwirnsfäden… woher habt ihr die?«
    »Äh, hm…«, druckste Rhett. Fooly zog den Kopf ein.
    »Ich habe die Farbe der Fäden gesehen«, machte Nicole den beiden drohend klar. »Gebt's zu!«
    »Ja«, seufzte Fooly. »Wir haben sie uns… hm… gewissermaßen ausgeliehen.«
    Im nächsten Moment stand Nicole zwischen beiden, hatte den Drachen am Stummelflügel und den kleinen Lord am Genick. »Ihr seid doch wohl wahnsinnig! Wisst ihr überhaupt, wie teuer das Kleid war?«
    »Fooly hat Recht«, keuchte Rhett. »Wir haben die Fäden doch nur ausgeliehen! Wir wollten sie wieder zurückgeben! Aber jetzt geht das nicht mehr, jetzt sind sie mit dem Schwarm draußen. Das ist aber jetzt nicht unsere Schuld!«
    »Wie ihr das macht, ist mir egal«, sagte Nicole. »Aber ihr werdet entsprechendes Nähgarn auftreiben. Von genau dieser Farbe. Ihr werdet es nicht irgendwo stibitzen, sondern ehrlich erwerben! Und ihr werdet das Kleid ganz säuberlich wieder zusammennähen, und wehe, die Nähte sitzen nicht korrekt! Haben wir uns verstanden?«
    »Ja«, seufzte Rhett.
    »Ich muss erst den wissenschaftlichen Bericht schreiben. Wenigstens hundert Seiten, hat der Chef gesagt«, wehrte sich Fooly.
    »Du hilfst Rhett. Danach hilft er dir bei dem Bericht«, ordnete Nicole an. »Und jetzt Abmarsch!«
    Mit hängenden Schultern entfernten die beiden sich.
    Plötzlich blieb Fooly stehen und drehte sich um.
    »Ich glaube, es war doch kein wissenschaftliches Experiment«, sagte er.
    ***
    Als die beiden verschwunden waren, konnte Zamorra sich endlich ein breites Grinsen erlauben.
    »Eigentlich ist dieser Streich genial«, behauptete er mit einem bewundernden Unterton. »Allein die Arbeit, die sie sich gemacht haben. Ich begreif's nicht, wie man es schafft, Fliegenbeine mit Zwirnsfäden zu umknoten. Das ist doch eine Fuckelei, für die ich nicht mal eine Sekunde lang die nötige Geduld hätte. Abgesehen davon, dass ich Fliegen lieber erschlage. Ob sie mit Magie nachgeholfen haben?«
    »Ich kann da gar nicht drüber lachen«, sagte Nicole verdrossen. »Immerhin haben die beiden mir das Kleid ruiniert. Das ist mutwillige Zerstörung. Sachbeschädigung. Das darf nicht zum Normalzustand werden. Wir sollten mit Patricia darüber reden.«
    »Es war ein Kinderstreich«, sagte Zamorra. »Wir sollten das nicht überbewerten. Sie haben ihre Strafpredigt und ihre Wiedergutmachungsauflagen erhalten. Dabei sollten wir's lassen.«
    »Kinderstreich? Was würdest du sagen, wenn sie dein Lieblingshemd oder deinen Lieblingsanzug genommen hätten?«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Ich hätte sie am nächsten Baum aufgehängt«, überlegte er. »Oder geköpft. Erdolcht. Erschossen. Auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Gerädert. Gevierteilt. Geteert und gefedert. Gehäutet. In kleine Scheiben geschnitten. Am Spieß gebraten. In