0745 - Angst über Altenberg
Zeit jemand getroffen oder mit jemandem gesprochen, der Ihnen ungewöhnlich vorgekommen ist? Sie müßten das doch behalten haben, Sie sind in Ihrem Beruf zu einem Menschenkenner geworden. Sie haben das entsprechende Fingerspitzengefühl und…«
»Das stimmt alles.«
»Und? Können wir uns irgendwo treffen?«
Helmut Massow hob die Hand. Es sah im ersten Augenblick so aus, als wollte er seine sorgfältig gekämmten Haare durcheinander wirbeln, überlegte es sich und strich nur leicht darüber hinweg.
»Da war tatsächlich etwas«, flüsterte er.
»Ach ja?«
Massow nickte. Er schaute an mir vorbei und war bleich geworden, was nicht allein an der Kälte lag. Sein Blick war auf den Dom gerichtet. Er schluckte einige Male und gab sich somit die Zeit, nach Worten zu suchen. »An… an der Kirche«, murmelte er, »habe ich etwas gesehen. Dort ist es geschehen.«
»Was bitte?«
Er hob die Schultern. »Es war eine Erscheinung, die ich sah. Ein Geist oder so ähnlich. Ich weiß es ja nicht genau. Es war am Dom, außen, meine ich. Eine Erscheinung, ein Geist, etwas, das ich nicht fassen und begreifen kann. Es kam aus dem Nichts und verschwand auch wieder im Nichts. Es kam mir vor, als hätte es auf etwas Bestimmtes gewartet, wobei das aber nicht eingetreten ist.«
»Was nicht eingetreten?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Sinclair. Jedenfalls war ich ziemlich durcheinander.«
»Denken Sie nach - bitte!«
Er hob die Schultern. »Ich stehe wie unter einem Druck. Ich habe es auch nicht vergessen. Eigentlich müßte ich jetzt im Restaurant sein und mich um die Gäste kümmern. Es ist schon unverantwortlich, daß ich mich hier vor dem Haus aufhalte, aber ich habe es wegen dieser Erscheinung verlassen. Sie zieht mich magisch an. Ich wollte schauen, ob ich mich nicht geirrt hatte. Ob ich nicht durchgedreht bin und die Erscheinung noch vorhanden ist. Das alles war für mich wichtig, aber ich habe beim zweitenmal nichts gesehen. Plötzlich kamen Sie und der Junge. Da ist dann alles anders gewesen. Er… er muß etwas gespürt haben.« Massow nickte mir zu. »Ich gebe Ihnen recht, Herr Sinclair. Ich gebe Ihnen und dem Jungen recht. Es stimmt alles so. Ich habe etwas gesehen.« Er blickte wieder gegen den Umriß des Doms und bekam dabei eine Gänsehaut. »Aber ob es der Vater des Jungen gewesen ist, das kann ich nicht glauben.«
»Das stimmt aber!« meldete sich Elohim.
»Weiß ich.«
»John, du mußt jetzt aufpassen!« Er krallte sich wieder an meiner Kleidung fest. »Ich habe Angst, ich habe eine schreckliche Angst, daß alles schieflaufen kann. John - bitte, versprich mir, daß es klappen wird. Versprich mir das.«
»Natürlich.«
Helmut Massow stand neben uns und wußte nicht, wen er anblicken sollte. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werde dann wieder zurückgehen, sonst beschweren sich die Gäste. So lange wollte ich mich nicht hier draußen aufhalten. Wenn Sie Fragen haben, bitte, ich werde Sie Ihnen beantworten.« Er nickte uns noch einmal zu, drehte sich um und verschwand fast fluchtartig.
Elohim und ich blieben zurück. Der Junge atmete tief durch, aber er stöhnte dabei und hatte eine Gänsehaut bekommen. »John, ich habe Angst, große Angst sogar. Ich weiß nicht, was es genau ist, aber es geht über meine Kräfte.«
»Ja, Elohim.«
»Gibst du mir Schutz?«
»Ich werde es versuchen.«
»Du hast es einmal geschafft. Du hast die Waldhexe, die meiner Mutter gehorchte, vernichtet. Du hast auch die lebenden Toten aus der Welt geschafft. Ich muß dir vertrauen. Ich werde dir vertrauen, nur weiß ich nicht, wer meine Eltern sind. Der Mann hat meinen Vater gesehen, aber er hat ihn nicht beschreiben können.«
»Er sprach von einer Gestalt, und es hörte sich an, als hätte er einen Geist gesehen.«
Elohim nickte. »Mein Vater ein Geist?«
»Ich kann es mir nicht vorstellen«, murmelte ich. »Aber dein Werdegang ist so ungewöhnlich, daß man wirklich alles in Betracht ziehen muß. Wenn dein Vater ein Geist gewesen ist, wer ist dann, frage ich mich, deine Mutter?«
»Diese Hexe hätte es uns sagen können. Sie… sie hat mal auf ihrer Seite gestanden. Meine Mutter ist böse gewesen, von ihr habe ich diese Seite, das weißt du genau.«
»Leider.«
»Dann war mein Vater gut. Hätte er sich sonst hier an der Kirche zeigen können?«
»Das glaube ich auch nicht.«
»Bitte, und das ist meine Hoffnung.« Elohim schaute gegen die Fassade des Doms. »Für mich steht fest, daß er mehr ist als nur ein
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