0745 - Angst über Altenberg
mehr.« Er faßte mich an. »Oder kannst du es mir sagen, John Sinclair?«
»Auch nicht direkt.«
»Henoch?«
»Keine Ahnung, Elohim, ob er als Urengel wirklich so gut war. Es ist nicht bewiesen, denn zu seiner Zeit hatten sich die Fronten noch nicht geklärt. Wer war da gut, wer war da böse? Das hat sich alles später entwickelt.«
»Du mußt es wissen.«
»Auch ich war nicht dabei, Elohim. Ich muß mich ebenfalls auf alte Überlieferungen verlassen.«
»Sollen wir gehen?«
»Sicher.«
»Dabei weiß ich noch immer nicht, wer ich eigentlich bin. Ich kenne meine Eltern nicht, und ich frage mich, ob ich es je herausbekommen werde. Kennst du eine Lösung?«
»Nicht direkt, doch ich habe das Gefühl, daß uns das Schicksal nicht ohne Grund in diese Gegend geführt hat, in der du aufgewachsen bist. Ich denke, daß du hier auch erfahren wirst, wer deine Eltern waren.«
»Davor fürchte ich mich!« erwiderte der Junge spontan. »Ich habe plötzlich Angst bekommen.«
»Es ist trotzdem immer gut, die Wahrheit zu erfahren. Das solltest du nicht vergessen.«
»Trotzdem. Zwei Kräfte sind in mir, das hat die Hexe auch gesagt. Eine gute und eine schlechte Kraft. Ich weiß nicht, wann die schlechte wieder zurückkehrt, aber ich habe eine Hoffnung.« Er sprach jetzt wie ein Erwachsener.
»Welche denn?«
»Ich habe erlebt, daß die schlechte Kraft nicht zurückgekehrt ist, als ich ein Gefangener der Töten und der Hexe war. Wenn das passiert wäre, hätte sie mich ja nicht töten müssen - oder?«
»Da hast du recht«, stimmte ich ihm zu.
»Und was wird jetzt meine Mutter tun? Wird sie das vollenden, was der Hexe nicht gelungen ist?«
Das war eine schwere Frage. Ich hoffte, daß die bestimmt sehr mächtige Mutter diesen Weg nicht gehen würde. Doch die Hand konnte ich dafür nicht ins Feuer legen.
Das Thema beschäftigte den Jungen verständlicherweise sehr, und er fragte: »John, du hast doch sicherlich einen Verdacht. Du mußt dir über meine Eltern Gedanken gemacht haben. Was ist dabei herausgekommen? Was denkst du denn?«
»Ich habe keinen Verdacht.«
Beinahe wütend schüttelte Elohim den Kopf. »Das kannst du mir nicht erzählen. Du willst es mir nicht sagen, glaube ich. Nein, du willst es nicht!«
Er bekam eine Antwort von mir, auch wenn sie ihm nicht gefallen würde. »Alles, was ich dir sage, gehört ins Reich der Spekulation. Es wäre nicht gut, wenn ich dir Namen nenne, Elohim. Damit würde ich dich nur noch mehr verunsichern und dich möglicherweise auf eine falsche Bahn bringen.«
Der Junge hob die Schultern. Da er gleichzeitig auch nickte, wußte ich nicht, wie er zu meinem Vorschlag stand. Aber er ballte seine Hände zu Fäusten und flüsterte: »Ich werde es herausfinden, John. Ich bin mir ganz sicher, und es wird nicht mehr lange dauern. Noch in dieser Nacht passiert es.«
»Das wäre nicht einmal schlecht.«
»Dann wartest du auch darauf?«
»Natürlich.«
Elohim räusperte sich. »Die Hexe gibt es nicht mehr«, flüsterte er, »dafür aber meine Mutter. Ich weiß auch nicht, wer mein Vater ist und wie beide zueinander standen. Ich kenne auch nicht den Grund, weshalb ich plötzlich auf die Welt kam, und ich habe mich schon gefragt, ob ich richtig geboren wurde.«
»Meinst du wie bei einer normalen Frau?«
»Ja.«
»Hast du einen Verdacht?«
»Nein, John, das nicht. Aber Gut und Böse. Kann das zueinander passen?«
»Im Prinzip nicht«, erwiderte ich. »Aber wer weiß schon, was in den Sphären vor sich geht, die uns normalerweise verschlossen sind? Ich kenne sie nicht.«
»Ich auch nicht«, flüsterte der Junge.
Dann verließen wir den Wald. Hätte mich jemand gefragt, wie es mir ging, so hätte ich als Antwort nur die Schultern gehoben. Auf mich kam es nicht an, der Joker in diesem Spiel war jetzt Elohim, ein Junge von fast dreizehn Jahren, doch mit dem Namen eines Gottes oder Götzen versehen.
Die Rätsel wurden nicht weniger…
***
An diesem Abend herrschte im Restaurant nur wenig Betrieb. Darüber war auch Helmut Massow froh, bot sich ihm doch ab und zu die Chance, nach draußen zu gehen und einen Blick auf den Dom zu werfen, denn er hatte die unheimliche Gestalt nicht vergessen. Je mehr Zeit verging, um so intensiver dachte er darüber nach, was auch seinen Kollegen auffiel, die sich darüber wunderten, daß Helmut nicht so gesprächig war wie sonst.
»Ich habe eben einen schlechten Tag«, hatte er mehr als einmal entschuldigt.
Das hatte auch Herr Bangartz gehört. Er
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