0746 - Das ägyptische Grauen
Auge sah er ein Zucken. Auf der Steinschicht hatte es den Anschein, als würde ein Stück von ihr reißen oder einfach wegplatzen.
Unwillkürlich ging er zurück, blieb aber stehen, weil sich das Gesicht nicht veränderte.
Es geschah trotzdem etwas. Suko hatte sich geirrt, denn das Zucken setzte sich an einer anderen Stelle fort. Und zwar am unteren Rand des Auges, der sich leicht nach vorn schob. Dabei füllte er sich von innen her mit etwas Dunklem auf, das aussah wie Teer.
War es Teer?
Suko wollte es genauer wissen, deshalb holte er seine Leuchte hervor und strahlte das Auge an. In der grauen Finsternis sah der Strahl aus wie eine helle, genau auf ein bestimmtes Ziel fixierte Lanze, die im Zentrum ihren Treffpunkt fand.
Es war kein Teer, sondern eine andere Masse und längst nicht so dunkel. Aus dem Auge sickerte Blut…
Wieder erlebte Suko eine Überraschung. Er hielt die Lampe weiterhin so gerichtet, dass sich der Strahl auf dem nach unten rinnenden Blut wiederfand und er die Spur genau verfolgen konnte. Sie war ungefähr so breit wie eine Hand, sehr dick und dabei klebrig.
An ihrem Ende hatte sie sich zu einem langen Tropfen zusammengefunden, der nie riss, dafür an Masse zunahm, weil er den nötigen Nachschub aus dem Auge erhielt.
Menschen- oder Tierblut?
In diesem Fall war alles möglich. Hier musste Suko mit dem Schlimmsten rechnen.
Das Blut stockte irgendwann. Es bekam keinen Nachschub mehr.
Armlang hing dieser Streifen vom unteren Rand des Auges nach unten und bewegte sich nicht mehr.
Trocknete es ein?
Beinahe schmerzlich vermisste Suko die junge Frau. Sie hätte ihm mehr sagen können. Er brauchte Erklärungen und er glaubte jetzt auch, dass in diesen verfluchten Steinköpfen mit den sehr breiten Mündern ein unheilvolles Leben steckte.
Seine Gedanken hatten sich kaum mit den Mündern beschäftigt, als sich dort ebenfalls etwas tat.
Zumindest bei dem Frauenkopf, denn sie bewegte ihre Lippen. Sie wollte den Mund öffnen und Suko hörte das hässliche Knirschen, das entstand, als sich die beiden Steinlippen voneinander entfernten, um einen Spalt freizugeben.
Suko zog sich etwas zurück. Er hatte dabei rein instinktmäßig reagiert, denn dieser neue Tunnel erschien ihm nicht geheuer. Er strahlte so etwas wie eine Gefahr ab, die er nur annehmen konnte.
Im Gegensatz dazu war der Geruch existent. Suko hielt den Atem an, als ihm die unsichtbare Wolke entgegenwehte. Der Vergleich war lächerlich, doch irgendwie stimmte er, denn der Schädel hatte tief in seiner Kehle etwas produziert oder verdaut, das sich nun freie Bahn verschaffte.
Leichengeruch drang ihm entgegen. Uralt und einfach unbeschreiblich. Nach Fäulnis und alten Blut riechend, eine Mischung aus Süße und Kupfergeruch.
Suko hielt den Atem an.
Es wäre falsch gewesen, sich jetzt zurückzuziehen. Er konnte sich vorstellen, dass es seinen drei Vorgängern ähnlich ergangen war und sie auch hier gestanden hatten.
Das offene Oval war für ihn der Eingang zu einem Tunnel, in dem die Leichen lagen und verfaulten.
Drei Leichen etwa? Das konnte nicht sein, denn sie waren nur noch Staub, verteilt in drei verschiedenen Flaschen.
Da war einiges unklar.
Der Mund aber blieb offen und die widerlich stinkenden Wolken wehten auch weiterhin gegen die Gestalt des Inspektors, der verzweifelt überlegte, was er unternehmen konnte.
Sollte er hineinschießen? Sollte er versuchen, seine Dämonenpeitsche einzusetzen?
Keine schlechte Idee, denn sie setzte eine gewaltige Magie frei, mit der Dämonisches zerstört werden konnten. Bevor Suko die Peitsche hervorzog und sie schlagbereit machte, schaute er sich um.
Thera ließ sich nicht blicken. Das war gut in diesem Fall, denn sie hätte ihn sicherlich in seiner Aktivität behindert.
Suko hatte den Kreis geschlagen. Die drei aus Dämonenhaut gefertigten Riemen wischten mit leisen Geräuschen über den Boden, als Suko die Peitsche bewegte.
Dann hob er sie an.
Er musste noch vorgehen, um sicher zu sein, dass die drei Riemen auch trafen. Zwei Schritte. Dann noch ein kleiner.
Die Position war günstig. Suko schob den rechten Arm an. Als Ziel hatte er sich die Unterlippe ausgesucht. Er hoffte, sie zu erreichen, auch ohne die Treppe zu betreten.
Im selben Augenblick sah er die Gestalt. Sie erschien aus dem offenen Maul des Kopfes. Er sah das blasse Gesicht, die dunklen Haare, auch die düstere Kleidung, und dies alles nahm er innerhalb einer Sekunde auf wie ein hochgeschalteter Computer.
Den Schlag
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