0746 - Das ägyptische Grauen
wirkte er wie eine Statue. Suko stellte zudem fest, dass sich bei ihm etwas verändert hatte. Seine Haare, deren Länge ihm kaum aufgefallen waren, hatte er im Nacken zusammengedreht, wo sie einen langen Pferdeschwanz bildeten, der fast bis zu seiner Taille reichte.
Diese neue Frisur hatte sein Gesicht noch schmaler und härter gemacht. Es stach von der eigentlichen Gestalt als heller Schatten ab.
Cadi ging noch zwei Schritte nach vorn. Damit hatte er sich Sukos Blickfeld entzogen. Wahrscheinlich war er vor der untersten Stufe der Treppe stehen geblieben und Suko fragte sich, wie er es schaffen würde, dass der Schädel seinen Mund öffnete. Aufstemmen konnte er ihn wohl nicht. Suko lächelte kalt, als er daran dachte.
Er hörte Cadis Stimme. Der Ägypter sprach.
Wortfetzen erreichten Sukos Ohren. Sosehr er sich auch bemühte, etwas zu verstehen, es war nicht möglich, weil Cadi in einer ihm unbekannten Sprache redete.
Das erinnerte den Inspektor sehr an eine Beschwörung, die aus uralter Zeit stammte und nur noch wenigen Menschen bekannt war.
Er ging davon aus, dass Cadi damit Erfolg hatte.
Sekunden verstrichen. Auch in Suko wuchs die Spannung.
Dann hörte er das Knirschen. Da wusste er, dass der Riesenschädel dem vor ihm stehenden Menschen gehorcht hatte…
***
Suko blieb auch weiterhin bewegungslos liegen. Nur die Haut auf seinem Rücken hatte sich gespannt.
Unheilvolles Leben steckte in dem Schädel. Es war begleitet von einem Knirschen, denn die zuvor zusammengepressten Lippen öffneten sich nur mühevoll und das Knirschen war dabei in ein Zittern übergegangen. Es bebte durch den gesamten Kopf und ließ auch Suko nicht aus.
Er hörte Tritte. Jetzt ging Cadi die wenigen Stufen der Treppe hoch, würde das Kinn überwinden und dann in dem geöffneten Maul verschwinden, wo er dann den Misserfolg erkennen würde.
Abwarten…
Die Zeit verstrich. Suko hörte nichts mehr von Cadi. Auch der Schädel blieb ruhig. Das Maul stand jetzt so weit offen, dass er sich nicht mehr zu bewegen brauchte.
Der Inspektor schaute dorthin, wo er das Licht gesehen hatte. Es war nicht mehr da. Die Dunkelheit lag wie ein tiefer Schatten über der Insel.
Der Ägypter suchte noch immer. Bestimmt war er irritiert, bestimmt war es ihm unmöglich, sich vorzustellen, dass es jemand geschafft hatte, dieser Falle zu entwischen.
Unter ihm knirschte es. Ein Zeichen, dass sich der Mund wieder bewegte. Suko konnte sich sehr gut vorstellen, wie sich der obere Kiefer senkte, aber er würde keinen mehr zermalmen.
Auch Cadi nicht. Er hatte das Innere des Schädels bereits verlassen. Er musste auf der Treppe stehen, denn von dort hörte Suko seinen Ruf.
Nein, es war kein Ruf, es war ein Schrei!
Ein irrer Laut der Wut und Enttäuschung. Eine Reaktion, wie sie nur ein Mensch fertig bringen konnte, wenn für ihn eine Welt zusammengebrochen war. Der Schrei hallte Suko entgegen wie aus einer tiefen Schlucht. Er hatte auch alle anderen Geräusche überdeckt, selbst das Knirschen der Schritte auf der kleinen Treppe, denn Suko entdeckte Cadi, als er die Stufen hinter sich gelassen hatte und vor dem Schädel der Königin stand. Die Arme hochgerissen, den Körper nach hinten gebogen, die Hände zu Fäusten geballt.
So brüllte er seine Wut und Enttäuschung hinaus!
Suko blieb gelassen. Er sah überhaupt keinen Grund, sich zu melden oder einzugreifen. Dieser Mensch dort unten sollte von seiner eigenen Enttäuschung gefressen werden.
Er konnte nicht ewig schreien. Irgendwann würde ihn die Kraft verlassen, dann musste er sich erholen und an seine nächsten Pläne denken.
Der Schrei brach in Intervallen ab. Er wurde schließlich zu einem Jammern und war nicht mehr zu hören. Stille trat ein.
Keine beklemmende Stille, sondern die normale Ruhe einer gespenstisch anmutenden Nacht, beobachtet vom bleichen Glotzauge des Mondes.
Cadi ging ein Stück zurück. Er hob den Kopf, schaute in die Höhe, doch Suko wusste, dass ihn dieser Mann nicht entdecken konnte, da er sich noch weiter zurückgezogen hatte.
Roch Cadi ihn? Schnüffelte er? Spürte er so etwas wie eine Ausdünstung des Feindes?
Bei ihm war alles möglich, denn er stand mit anderen, uralten, geheimnisvollen Kräften in Verbindung, die den Menschen damals über waren. Dazu zählten auch die Kräfte der Riesen.
Cadis Enttäuschung und Wut würde verrauchen. Danach würde er anfangen nachzudenken und zu überlegen. Er würde wissen, dass er einen Fehler begangen hatte, als er auf Sukos
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