0746 - Merlins Zauberbrunnen
machte er etwas, was erstens unglaublich und zweitens reif für das Guiness-Buch der Rekorde war und ihm drittens unheimlich schwer fiel: Er hielt das Maul und blieb die nächsten Stunden, bis Zamorra und Nicole aufgestanden waren, leise…
***
Von den Transportblumen auf der Hochebene von B’oran gab es nur zwei Verbindungen zu anderen Welten. Die erste führte nach Caermardhin, Merlins unsichtbarer Burg, die sich auf einem Berggipfel in Wales in einer anderen Dimension befand. Die zweite Verbindung führte nach Broceliande, Merlins Zaubergarten. Alle anderen Wege hatte Seanzaara magisch blockiert. Nach einer Auseinandersetzung bei Zamorras Abreise von K'oandar wollte die Hexe verhindern, dass Fremde auf ihren Planeten kamen.
Sid Amos wusste Bescheid darüber, dass es die beiden Verbindungen gab. Das hatte Seanzaara noch nicht einmal ihren Vertrauten Keanor oder Kroan erzählt. Doch der Gesichtslose An'dean erfuhr durch einen Zufall ohne ihr Wissen von der zweiten Transportblumenverbindung.
Sid Amos kam gerade von Caermardhin. Von Merlins Burg brachte er noch etwas »Handgepäck« in Form von einer ruhig gestellten Seelen-Träne mit. Er ließ sich von den Transportblumen an den Rand von Merlins Zauberwald Broceliande versetzen.
Vor etwa vier Jahren hatte er dafür gesorgt, dass der Zauberwald durch die Hexe Baba Yaga vernichtet wurde. Vor ungefähr zwei Jahren wurde er von den Thessalischen Hexen gezwungen, den Garten wieder aufzubauen. Das hatte er ihnen bis heute nicht vergessen. [2]
Natürlich gab es die alte Tier- und Pflanzenwelt so nicht mehr. Baba Yaga hatte ganze Arbeit geleistet. Die meisten Pflanzen waren vernichtet worden, der größte Teil der Lebewesen getötet. Tiere wie der menschengroße Käfer Wu oder der Sternenfalke waren sinnlos gestorben! Neues Leben erfüllte Broceliande nach der Aufforstung durch Sid Amos. Leben, das er selbst noch nicht genau kannte. In den letzten Monaten hatte er kaum Gelegenheit gehabt, dieses neue Leben kennen zu lernen.
Andere Themen waren vordringlicher gewesen. Unter anderem hatten sich sowohl Merlin als auch Amos einige von D'Halas Tränen beschafft. Keiner der beiden Brüder hatte dem anderen erzählt, dass er im Besitz mehrerer Seelen-Tränen war. Und wenn es der andere wüsste, hätten sie sich gegenseitig auch nicht erklärt, wozu sie die k'oandarischen Zaubermittel benötigten.
Sie waren auf der einen Seite so ähnlich und auf der anderen doch so verschieden.
Sid Amos zwang sich mit Gewalt, nicht an seinen Bruder zu denken. Das lenkte ihn nur ab. Und er musste sich auf seine selbst gewählte Aufgabe konzentrieren. Eine Aufgabe, die er unter allen Umständen durchführen wollte, bevor Merlin dazukam.
Die Regenbogenblumen standen vor dem Eingang zu Broceliande. Das war Absicht, denn Merlin wollte nicht, dass Unbefugte direkt in seinen Zaubergarten eindringen konnten. Nur ein kleiner Personenkreis von Auserwählten wie die Silbermond-Druiden Teri Rheken und Gryf ap Llandrisgryf hatte freien Zutritt zu Broceliande, und das aus gutem Grund.
Sie gehörten zu den wenigen, denen der uralte Zauberer vertraute. Dieses Vertrauen besaßen noch nicht einmal Professor Zamorra oder dessen Gefährtin Nicole Duval.
Amos lenkte seine Schritte auf das Zentrum des Gartens zu. Dort stand Merlins Zauberbrunnen.
Einst diente er als Jungbrunnen. In kleinen Schlucken getrunken, half das Wasser, verlorene Kräfte zu regenerieren.
Für Merlin bedeutete der Brunnen viel mehr. Er war sein persönlicher Schlüssel nach Avalon. Seit Baba Yaga das magische Wasser in ihrer grenzenlosen Gier ausgetrunken hatte und den Brunnen somit hatte versiegen lassen, hatte der Magier keine Möglichkeit mehr, auf die sagenumwobene Insel zu gelangen. [3]
Wenn er nach Avalon wollte, musste er vom Wasser des Zeitbrunnens trinken, und das war ihm unmöglich gemacht worden. Es traf ihn schlimmer als alles andere, das er jemals zuvor erlebt hatte. Der wichtigste aller Wege war ihm versperrt worden.
Und Sid Amos traf die Hauptschuld an dieser Katastrophe. Nur, weil er sich an seinem Bruder hatte rächen wollen…
Der ehemalige Fürst der Finsternis schüttelte den Kopf. Was sollten diese quälenden Gedanken?
Damals war er sich großartig vorgekommen. Er hatte Merlin sein Verhalten zurückgezahlt, als ihm dieser vor Jahren Kräfte entzogen hatte. Heute sah er das etwas anders. In Wirklichkeit war es Rache gewesen, bloße, pure, kleinliche Rache… Zwar musste man immer mit Schwund rechnen, aber das
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