0746 - Merlins Zauberbrunnen
diese Ereignisse dachte. Er war damals mit als einer der Ersten verschwunden. Allerdings nicht ohne vorher der Hexe Seanzaara drei Dhyarras zu überreichen, die er von seinem Bruder Merlin erhalten hatte.
Seanzaara war eine Frau, die Amos verrückt machen konnte. Ihre Ausstrahlung war enorm. Genau wie Amos war sie selbstverliebt und beide wussten sie um ihre Wirkung auf andere Personen. Auch sie versuchte so oft wie möglich, ihren Kopf durchzusetzen und Widerstände so früh wie möglich zu brechen, und wenn es ihre jeweiligen Kontrahenten das Leben kostete.
»Mit Schwund muss man rechnen«, murmelte Amos. Dabei grinste er auf seltsame Art…
Auch die Mauer der Schmerzen, das ehemalige Mosaik des Todes, schien Schwund zu erleiden. Sah sie nicht schon kleiner aus als beim letzten Mal? Sie wirkte irgendwie geschrumpft. Ihm kam es zumindest so vor. Amos war nicht sicher, ob ihn seine Erinnerung trog.
»Das ist auch egal«, dachte er laut nach. Wichtig war allein, dass der damalige Einsatz von Erfolg gekrönt war. Mit Schwund konnte Sid Amos leben, aber eine Arbeit, die umsonst gemacht wurde, konnte er noch weniger vertragen, als Weihwasser zu trinken.
Bei diesem Gedanken verzog er angeekelt das Gesicht. Auch wenn er der Hölle schon vor vielen Jahren den Rücken gekehrt hatte, so konnte er bei einigen Dingen nicht über seinen Schatten springen.
»Und Weihwasser gehört dazu«, murmelte er im Selbstgespräch.
Er war sehr zufrieden über das Gesehene. Wenn er ehrlich war - und das war er meistens, bei allem, was sich sonst gegen ihn Vorbringen ließ -, so hatte er nicht so schnell sichtbare Resultate erwartet. Die vier Caltaren, die mittels Dhyarra-Kristallen den Schlund zu besiegen halfen - Seanzaara, Kroan, Keanor und An'dean - hatten Übermenschliches geleistet. Das würde ihnen niemand so schnell nachmachen.
Er nahm die Eindrücke mit vollen Sinnen auf, damit er seinem Bruder Merlin später Bericht erstatten konnte.
Doch zuvor lenkte er seine Schritte Seanzaaras Haus entgegen. Sein Auftrag lautete, ihr auszurichten, dass er die Dhyarra-Kristalle in spätestens dreißig Tagen abholen würde.
Er erinnerte sich noch gut an den Abschied von der Hexe.
Sie hatte Asmodis schon bei seinem Fortgehen vermisst.
Denn er war in ihrer Liebesnacht teuflisch gut gewesen!
***
An'dean:
Er ist wieder da. Er tauchte so heimlich, still und leise auf, wie er es oft macht, wenn er unbemerkt bleiben will. Fast hätte ich ihn nicht bemerkt. Doch meine magischen Sinne reagierten empfindlich auf seine Teleport-Ankunft.
Das letzte Mal sah ich ihn in Seanzaaras Haus. Damals, als wir mittels Dhyarras begannen, gegen den Schlund vorzugehen. Schon nach der ersten Nacht war er verschwunden. Und Seanzaara benahm sich die Tage darauf fast so wie ein junges Mädchen.
Seanzaara…
Wenn es jemand gibt, den ich bis auf den Tod hasse und dem ich alles Unglück des Multiversums wünsche, dann ist sie es. Ob sie ahnt, was sie mir antat, als sie mir das Gesicht nahm? Das Gesicht, den Spiegel meiner Seele…
Andere Caltaren wirken, als würden sie bei einem Blick in das, was einmal mein Gesicht gewesen ist, den Verstand verlieren. Eine wirbelnde, gelbweiße Masse, die keine Sekunde still zu stehen scheint und die sich unaufhörlich zusammenzieht und entspannt wie ein schlagendes Herz, ist das Einzige, was von meinem Gesicht übrig blieb. Ich kann es ihnen nicht einmal verdenken, wenn sie wegsehen. Als ich einmal versuchte, mein Antlitz in einem Spiegel zu sehen, wäre selbst ich fast wahnsinnig geworden.
Ist es Seanzaara egal, wie sehr ihre Opfer leiden? Weidet sie sich vielleicht an unseren Qualen?
Das habe ich bis zum heutigen Tag nicht restlos herausgefunden. Wenn ich glaube, der Wahrheit nahe zu sein, dann verblüfft sie mich mit einer neuen Facette ihrer grausamen Persönlichkeit.
Nein, ich hasse sie bis zu ihrem hoffentlich baldigen Tod. Doch kann ich nichts gegen sie unternehmen. Ihre magischen Kräfte sind viel stärker ausgeprägt als die meinen. Bis vor kurzem konnte ich noch hoffen, dass ich Gnade erfahren und mein Gesicht wieder zurückerlangen könnte. Aber das war eine irrige Hoffnung, in der sie mich jahrelang ließ. In den ersten Tagen der Schlundbekämpfung mit den Dhyarras gestand sie mir, dass die Zerstörung meines Gesichtes nicht rückgängig gemacht werden kann.
Ich muss ein Gesichtsloser bleiben!
Bis an das Ende meiner Tage!
Ein Ausgestoßener meines Volkes, obwohl ich den schlimmsten Feind bekämpft habe, der
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