0746 - Merlins Zauberbrunnen
dem Tonkan wirkte dunkel und schmutzig. Von daher war die Bezeichnung für seine Spezies perfekt gewählt.
»Und ihr habt auch eure Gesinnung verändert«, stellte Amos fest. »Mit dem dunklen Aussehen kamen auch schwarze Gedanken…«
Wieder zuckte der Tonkan zusammen. Wenn er unsicher war, blickte er ständig um sich, als ob er auf der Suche nach etwas unbekanntem war.
»Woher weißt du das?«, fragte er erstaunt.
Sid Amos ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Dass es die Tonkan gab, war sein fragwürdiger Verdienst. Er stellte also so etwas wie einen Vater für die ehemaligen Elfen dar. An diesen Gedanken konnte er sich gewöhnen. Ihm gefiel Rallant, obwohl er das dem Tonkan gegenüber nicht zugeben würde. Seine Antwort würde sowieso ein Schock für den armen, verwirrten Kerl sein.
»Lange Jahre nannte ich mich Asmodis«, bekannte er.
»Der ehemalige Herrscher des Höllenthrons«, wisperte Rallant. »Der alles weiß!«
»Genau der«, bestätigte Amos mit grimmigem Lächeln.
***
Nicht weit vom Zauberbrunnen entfernt besah sich ein anderer Mann den Zaubergarten. Vor hunderten von Jahren wurde dieser uralte, hoch gewachsene Mann in der weißen Kutte und dem roten Schultermantel Myrddhin Emrys genannt oder auch Merlin Ambrosius. Heute nannte er sich nur noch Merlin.
Äußerlich wirkte er wie ein Greis, mit dem fast bis zum Gürtel reichenden langen Bart, aber seine Augen funkelten so jung wie die Ewigkeit. Sein Gesicht strahlte ewige Jugend aus. Ein größerer Gegensatz ließ sich kaum vorstellen.
Dieser Mann, einer der Diener des Wächters der Schicksalwaage, war der Schöpfer und Besitzer von Broceliande. Für viele galt er als König der Druiden oder als Zauberer von Avalon. Ihm war egal, was andere von ihm behaupteten, und Avalon würde er sowieso nie mehr Wiedersehen können, seit das magische Wasser des Brunnens versiegt war.
Angeblich hatte er Broceliande aus Staub geschaffen und nach Paimpont in der Bretagne verlegt. Doch war das für Normalsterbliche kaum überprüfbar. Es gab nur eine Hand voll Berechtigter, die den Zaubergarten finden und ihn besuchen konnten, und die würden nie ein Wort darüber zu Außenstehenden verlieren.
Merlins Körper befand sich in Broceliande, doch seine Gedanken waren Lichtjahre weit entfernt. Er grübelte darüber nach, wie er die gestohlenen Seelen-Tränen für seine Zwecke gebrauchen konnte. Er hatte schon versucht, den Brunnen mittels D'Halas Tränen wieder zu aktivieren, aber diese Hoffnung war schon bald zerstört worden. Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung.
»Etwas fehlt noch dazu«, murmelte er. »Eine Art Katalysator…« Aber er kam nicht darauf, was dies sein könnte.
Er schlug den Weg zum Zentrum von Broceliande ein - dem Zeitbrunnen.
Jedesmal, wenn er hierher kam, wurde er von einer seltsamen Traurigkeit erfüllt. Baba Yaga hatte ganze Arbeit geleistet, als sie das magische Wasser restlos verbrauchte.
Als der Brunnen in Sichtweite kam, stutzte er. Da befanden sich doch zwei Personen.
Eine davon war ihm sehr bekannt. Es handelte sich um Asmodis, seinen dunklen Bruder.
Aber die zweite Person…
Es schien sich um einen Elfen zu handeln. Den schmutzigsten Elfen, den Merlin jemals gesehen hatte. Außerdem besaß er eine sehr seltsame Ausstrahlung für einen Spitzohrigen.
Gab es so etwas wirklich?
***
An’dean:
So etwas habe ich noch nie erlebt. Bei keiner meiner Reisen auf andere Welten. Als ich aus den Transportblumen, die direkt am Eingang des seltsamen Waldes stehen, hervortrete, fühle ich, dass ich irgendwie geistig abgetastet werde. Ein Fluidum der Gewissheit durchzieht mich, dass ich anerkannt und berechtigt werde, den Wald zu betreten.
Als ob dieser Wald ein eigenständiges Lebewesen wäre!
Ich bin magisch begabt und weiß, dass es viele Dinge gibt, die das Verständnis anderer Wesen übersteigen, aber ein denkender, fühlender Wald ist auch für mich nur schwer vorstellbar.
Ich schaue mich nach allen Seiten sichernd um. Aber da ist niemand. Kein Caltar, kein Mensch, keine Tiere. Nur ein leichter Wind, der die Äste der Bäume bewegt.
Es ist so warm und angenehm hier, dass ich meinen Umhang öffne. Der Wind streichelt meine Haut. Ich mag das sehr.
Ich betrete den seltsamen Wald. Ein schmaler, halb überwachsener Pfad führt mich weiter. In der Ferne erkenne ich ein paar kleine Tiere. Sie scheinen mir fröhlich zuzuwinken. Ich werte das als gutes Zeichen weiterzugehen.
Nach kurzer Zeit entdecke ich ein vierbeiniges Wesen, das am Rand
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