0746 - Merlins Zauberbrunnen
mit dem Unsinn!«, verlangte Sid. »Und vor allen Dingen… wasch dich erst einmal.«
Der unbekannte Spitzohrige stand so gerade da, als hätte er einen Stab verschluckt. Nun ging er nicht mehr rückwärts.
»Bitte?« Seine keifende Stimme klang sehr beleidigt.
»Du sollst dich waschen, habe ich gesagt«, wiederholte Sid Amos. »Saubermachen! Abschrubben! Verstanden? Oder rede ich so undeutlich? Du siehst schmutzig aus…«
Der Elf verschränkte die Arme.
Seine Unterlippe stand etwas hervor und bebte. Der ehemalige Fürst der Finsternis schien ihn zu Tode beleidigt zu haben.
»Ich! Sehe! Schmutzig! Aus?« Der Elf schien unter Atemnot zu leiden. Er ballte die Hände zu Fäusten.
»Dafür soll dich der Teufel holen!«, drohte er zornbebend.
Amos verzog spöttisch das Gesicht. Nicht jeder konnte ihn kennen.
»Zu spät, mein Freund«, murmelte er. »Da kommst du ein paar Jahre zu spä…«
»Ich bin nicht dein Freund!«, brüllte der Elf, der Amos' Selbstgespräch auf sich bezog und nicht auf den einstigen Herrscher der Hölle.
Er streckte Sid Amos beide Hände entgegen. Grünlich leuchtende magische Blitze schlängelten sich Merlins Bruder entgegen. Der Schmutzfink versuchte, Amos anzugreifen. Dieser wischte die entstandene Energie mit einer Handbewegung beiseite. Er saugte sie regelrecht auf und ließ sie auf den Verursacher zurückstrahlen.
Die dunkelbraune Weste des Elfes brannte an zwei Stellen, an denen der Energiestrahl getroffen hatte. Mit seinen dürren Spinnenfingern schlug der Schmutzige die Flammen aus.
»Du… du… du…« Mehr brachte er, stammelnd vor Überraschung, nicht hervor.
»Ich sagte dir schon: Tu das nicht noch einmal, mein Freundchen«, drohte Amos leise, und gerade deshalb spürte der Elf, dass jedes falsche Wort lebensgefährlich sein konnte.
Er blickte Amos aus dunklen Augen an und konnte das Zittern seiner Arme und Beine kaum unterdrücken.
»Ich… ich… werde nichts mehr tun, was deinen Zorn erregen könnte«, versprach der Schmutzelf. Unter Amos' stechenden Blicken fiel er regelrecht in sich zusammen. »Und das… Dreckstück… nehme ich zurück.«
Sid nickte langsam, fast schon bedächtig.
»Schon besser«, antwortete er. »In diesem Fall werde ich Gnade vor Recht ergehen lassen.«
Er drehte sich um und sondierte mit seinen magischen Sinnen die Umgebung, doch er konnte keine weiteren Wesen entdecken.
»Wie heißt du, und wer bist du?«, wollte er wissen.
Der Elf wand sich wie unter Qualen. Er wich einen Schritt zurück.
»Stopp!«, warnte Amos. »Sonst erregst du meinen Zorn!« Er wusste genau um seine Wirkung auf andere Wesen.
Die Augen des. Elfen wurden wieder groß vor Angst.
»Rallant…«, hauchte er so leise, dass das Wort vom Wind verweht wurde.
»Was sagst du?«, brüllte Amos.
»Rallant heiße ich…«, antwortete der Elf etwas lauter. Deutlich war sein Schlucken zu hören und das Zittern in seiner Stimme. Trotzdem besaß seine Stimme immer noch den keifenden, gleichzeitig schleimigen, wichtigtuerischen Unterton. »Und ich bin ein Tonkan…«
»Tonkan?«
»Tonkan«, sagte Rallant stolz, und aus seinem Mund hörte sich dieses Wort wie eine Auszeichnung an.
Sid kratzte sich hinter dem Ohr, noch immer war sein Blick stechend.
»Woher kommst du?«, lautete seine nächste Frage.
Rallant sah ihn verwirrt an. »War schon immer hier gewesen.«
»Schon immer?« Amos wollte diese Behauptung nicht glauben.
»Natürlich schon immer«, entgegnete Rallant beleidigt. »Habe mein ganzes Leben hier verbracht. Damals…«. Er schluckte und suchte nach Worten, »…als noch alles hell und schön war, bis… bis… alles kaputt… gemacht wurde. Dann wurde lange Zeit alles dunkel…«
Rallant spielte nervös mit seinen Händen herum. Die Erinnerung schien ihn zu quälen.
Amos' Blick verlor an Härte. Er wusste genau, worauf der Tonkan anspielte. An dieser Begebenheit trug nämlich er selbst die Hauptschuld.
»Und dann?«, knurrte er. »Was geschah weiter?«
»Etwa zwanzig von uns überlebten die Katastrophe«, antwortete Rallant, »Nach langer Zeit wurde es wieder freundlicher und heller. Aber wir, die vorher Elfen genannt wurden, hatten uns verwandelt. So nennen wir uns seither Tonkan. Das bedeutet in unserer alten Sprache die Dunklen.«
Sid Amos musterte Rallant lange von Kopf bis Fuß. Von den dünnen langen, schwarzen Haaren und den spitzen Ohren über die ausgemergelte, von dunklem Leder verhüllte Gestalt bis zu den ausgetretenen Lederstiefeln. Alles an
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