0746 - Merlins Zauberbrunnen
Brunnen heran. Er blickte in die Tiefe und sondierte magisch, was unter der Wasseroberfläche lag.
Das Ergebnis traf ihn wie ein Blitzschlag!
»Du… du hast eine Seelen-Träne versenkt, um dadurch den Brunnen zu aktivieren!«, stieß er hervor.
»Genau wie du.« Amos versuchte nicht, sich in Ausflüchte zu retten. Im Gegenteil, er stand locker und stolz vor Merlin, als habe er etwas Besonderes vollbracht.
»Warum hast du das getan?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem es mein so genannter Lichtbruder getan hat«, grinste Amos. »Der Brunnen sollte wieder aktiviert werden, damit dein ewiges Geheule aufhört, du könntest nicht mehr nach Avalon gelangen.«
»Das ist kein Geheule…«, schimpfte Merlin.
»… sondern eine Notwendigkeit, blablabla«, unterbrach Sid Amos.
Merlin war einiges von seinem Bruder gewohnt, aber diesen Ton wollte er sich nicht gefallen lassen.
»Wie steht's? Wollen wir gemeinsam versuchen, beide Tränen zu zünden?«, schlug Amos in lockerem Ton vor, als wollte er seinen Bruder zu einem Bier einladen.
»Auf keinen Fall!«, schrie Merlin. »Eher bringe ich dich um!«
Rallant hatte bemerkt, dass die Lage gefährlich wurde. Aus welchem Grund reizte der Mann mit der düsteren Ausstrahlung seinen Bruder? Der Tonkan drehte sich um und rannte davon, den Bäumen entgegen. Dort versprach er sich Schutz vor dem drohenden Streit zwischen den Brüdern.
»Bleib doch da!«, rief ihm Amos hinterher. »Der tut dir nichts!« Er versuchte, dem Tonkan zu folgen, doch Merlin hielt ihn an der Schulter zurück.
»Es reicht, Asmodis«, fauchte Merlin.
»Warum? Mir reicht's noch lange nicht«, antwortete Amos. »Jetzt fängt alles erst an.«
Er ließ offen, wie er seine Worte meinte. Er drehte sich um und versuchte, Rallant zu folgen. In der kurzen Zeit, seit er ihn kannte, hatte er an dem Elfenabkömmling einen Narren gefressen. Zudem hätte er gerne gewusst, wo sich dessen Artgenossen befanden.
Merlin folgte Sid Amos. Während des Weges durch das Dickicht hörte er nicht auf, seinen Bruder mit Vorwürfen und Drohungen zu überschütten.
***
An'dean:
Das Pelzwesen mit den vier Beinen stöhnt vor Schmerzen. Ein Zittern durchläuft seinen geschundenen Körper. Ich lasse meine Magie wirken und versuche, damit die Blutung zum Stillstand zu bringen.
Bange Augenblicke vergehen, bis ich die Gewissheit habe, dass meine Versuche von Erfolg gekrönt sind. Die Wunde hat sich geschlossen, doch der Blutverlust hat das Wesen stark geschwächt.
Ein unendlich zartes Streicheln erfüllt meinen Geist, als das Pelzwesen den Kopf leicht anhebt.
Wer bist du?, fragt es mich telepathisch.
»Ich heiße An'dean und… bin ein Caltar«, antworte ich. Wie meistens habe ich Schwierigkeiten, mich ohne Pause zu artikulieren. Kroan meinte immer, dass meine Ausdrucksweise holperig klingt.
Dann erkläre ich, woher ich komme und weshalb ich mein Gesicht verloren habe.
»Und wer bist du?«, stelle ich eine Gegenfrage.
Ich bin ein sibirischer… Wolf, erklärt der Pelzling. Seine telepathische Stimme muss der Erschöpfung Tribut zollen und öfters Pausen einlegen. Und mein Name ist… Ich glaube, ich heiße… Fenrir…
Die Geistesstimme des Wolfes wird wieder leiser. Ich befürchte, dass ihn die Ohnmacht erneut umfängt.
Doch dann atmet er tief durch und hebt erneut den Kopf.
Hilf mir, An'dean, bettelt er. Ich muss vom Wasser… des Jungbrunnens trinken, sonst sterbe ich.
»Jungbrunnen?« Ich bin erstaunt. Ein solches Wort habe ich noch nie gehört.
Er befindet sich im Zentrum dieses Waldes, erklärt Fenrir. Wer daraus trinkt, dessen… Schmerzen vergehen. Seine Kräfte kehren zurück und… sein Körper verjüngt sich…
Dann verstummt seine Geistesstimme. Er schließt die Augen, sein Atem geht schwer.
Ich bücke mich und hebe Fenrir an. Dann liegt er auf meiner Schulter, sodass er mit dem Kopf meinen Rücken berührt. Körperlich und seelisch geht es mir zwar nicht so schlecht wie dem Wolf, doch wird mir sein Gewicht schon nach kurzer Zeit fast zu viel.
Ich schleppe ihn und mich dem Jungbrunnen, was das auch sein mag, entgegen. Dazu mache ich einen distanzlosen Schritt über mehr als 5.000 körperliche Schritte. Bevor Fenrir bewusstlos wurde, hat er mir noch die Richtung erklärt, in welche ich gehen muss. Nur wie weit unser Ziel entfernt ist, das konnte er mir nicht mehr sagen.
***
Ein kleiner Trupp von Rallants Artgenossen strich durch Broceliande. Die schmutzigen Elfen hatten sehr wohl bemerkt, dass sich mehrere
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