0747 - Fooly, der Jäger

höhere Stufe der Evolution erreicht hatten.
    Sie wollten ihn töten! Zumindest der eine, der aus dem Schwebefahrzeug nach draußen gekommen war! Es war, wie er es in seinem Albtraum gesehen hatte. Sie waren hier, um ihn zu ermorden.
    Oder…?
    Irgendwie passte es nicht so ganz zu der Unterhaltung. Sie wollten irgendwo nachfragen, schienen also doch nicht genau zu wissen, wen sie da eingefangen hatten. Zumindest einer der beiden ahnte zwar etwas, aber…
    Dafür wusste Fooly nur zu genau, wovon die Rede war. Die Geschehnisse, die der Insektenäugige ansprach und deretwegen er nachforschen wollte, hatten vor fast acht Jahren dazu geführt, dass Foolys Elter ermordet wurde und er selbst in der Welt der Menschen Zurückbleiben musste. Es gab da ein Gesetz, das er selbst nicht so recht verstand, und das sich auch dem logischen Begreifen seiner menschlichen Freunde entzog: aber nach dem Tod seines Elters durfte er erst ins Drachenland zurückkehren, wenn er erwachsen war! [6]
    Und das würde noch lange, sehr lange dauern. Schließlich war er erst wenig über 100 Jahre alt.
    Der Sinn jenes Gesetzes war ihm nicht klar. War es nicht eine Bestrafung des Jungen dafür, dass sein Elter sich hatte töten lassen?
    Fooly begriff es nicht. Vielleicht lag das daran, dass er noch zu jung war. Vielleicht würde er es begreifen, wenn er das Erwachsenenstadium erlangte. Dann würde er vielleicht auch viele Dinge begreifen, die ihm in der Menschenwelt noch unklar waren. Beispielsweise, warum Menschen Kleidung trugen. Oder warum sie einander töteten. Oder in einigen Staaten Mörder nicht aus Rache töteten, sondern weil ein Gesetz es ihnen vorschrieb und obgleich diese Henker nicht mit den Ermordeten verwandt waren. Oder warum große Mengen von Menschen andere große Mengen von Menschen töteten, weil in jeder Gruppe ein einzelner es den vielen befahl. Und warum sie diesem Befehl einfach gehorchten, statt zu sagen: Was geht uns dein Streit an? Führe ihn gefälligst allein! Oder warum man für alles Geld benötigte, statt nehmen zu können, was man brauchte, und zu geben, was andere brauchten, ohne das alles schuppendicht gegeneinander aufzurechnen.
    Noch weniger begriff er, warum man immer furchtbarere Vernichtungswaffen baute, obgleich jeder Mensch von Natur aus Fäuste und Zähne besaß, mit denen er kämpfen konnte. Das, was die Menschen Zivilisation nannten, schien nur auf Zerstörung und Töten ausgerichtet zu sein. Kein Wunder, dass sie es nicht schafften, eine höhere Daseinsebene zu erreichen. Drachen bekämpften einander nicht. Wozu auch? Waren sie unterschiedlicher Ansicht, redeten sie miteinander darüber und einigten sich - oder gingen sich künftig aus dem Weg.
    Immer noch versuchte Fooly, der Fesselung zu entkommen. Er wollte sich doch nicht umbringen lassen. Besser war es, die Insektenäugigen zu töten, ehe sie sich an ihm vergreifen konnten. Sie waren noch schlimmer als mordende Menschen, denn sie zeigten sich nicht offen, sondern töteten aus ihrer Unsichtbarkeit heraus.
    Fooly hätte einen anderen Weg vorgezogen. Aber bei den Insektenäugigen half nur, radikal zuzuschlagen und sie zu beseitigen. Alles andere war Leichtsinn, denn aus einer Bestrafung allein lernten sie nicht. Er wusste das aus Erzählungen alter Drachen, denen er einst ungläubig lauschte - bis er am eigenen Leibe erfahren hatte, wie brutal und heimtückisch die Unsichtbaren waren. Da endlich glaubte er den Erzählungen der Alten…
    Aber da war es bereits zu spät.
    Und jetzt musste er sich etwas einfallen lassen. Er war dem Ruf seines Albtraums nachgegangen - und den Insektenäugigen in die Falle getappt.
    Wie kam er da wieder heil raus?
    ***
    Stygia hatte sich in ihr Refugium zurückgezogen, das sich ganz in der Nähe ihres Thronsaals befand. Hier konnte sie sich abschotten. Momentan zog sie nichts auf den Knochenthron. Die ringsum lodernden Feuer und das Jammern der verlorenen Seelen in den ewigen Flammen nervten sie.
    Sie dachte an Calderones aufsässiges Verhalten. Seit er zum Dämon mutierte, schien er den Rest Dankbarkeit, den er vielleicht noch besessen hatte, endgültig zu vergessen. Was wäre er ohne sie? Jemand, der niemals die Chance bekommen hätte, dämonisch zu werden. Geistig vielleicht, aber nicht mit seiner ganzen körperlichen und seelischen Existenz.
    Sie würde künftig nicht mehr mit seiner Unterstützung rechnen können. Das war wohl endgültig vorbei.
    Immerhin - er hatte ihr diese Waffe gegeben.
    Ein seltsames Stück. Es war