Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0749 - Hort der Wölfe

0749 - Hort der Wölfe

Titel: 0749 - Hort der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
Vom Netzwerk:
Schatten, der von nichts Gutem kündete…
    »Wenn ich einem Menschen in Herz und Seele und Geist schaue«, begann Old Man schließlich, »dann ist es so, als sähe ich ihn auf einer anderen Daseinsebene in Weiß oder Schwarz, je nachdem, ob er gut oder böse ist - um es einmal so auszudrücken, dass du es verstehen kannst.« Er sah Strongtree an, wartete dessen Nicken ab und fuhr fort: »Im Falle dieses Mannes - sein Name ist Royce Bane - sah ich aber nur grau. Wie Nebel. Und so, als überlagerten sich Weiß und Schwarz in ihm.«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Strongtree.
    Old Man hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ein solcher Mensch ist mir noch nicht begegnet - oder jedenfalls habe ich noch in keinen dieser Art hineingeschaut.«
    »Was…«, setzte Strongtree an, schluckte, ohne den Kloß in seinem Hals hinunterwürgen zu können, und versuchte es dann noch einmal, mit unverändert belegter Stimme: »Was ist mit dem…?«
    »Mit dem Keim in ihm?«, half Old Man aus. Sein Blick verlor sich kurz in imaginärer Ferne, dann sagte er leise: »Der Keim… ja. Auch das ist seltsam.«
    »Seltsam?«, echote Strongtree. »Wie meinst du das? Konntest du ihn austilgen oder…?«
    Old Man seufzte wieder, dann schüttelte er schwer den Kopf. »Nein. Der Keim ist auf fruchtbaren Boden gefallen in Royce Bane. Ich sah…« Abermals richtete sich sein Blick auf irgendeinen Punkt hinter Strongtree, und vor seinem geistigen Auge sah er wohl, was die Augen seiner Finger ihm zuvor gezeigt hatten. »Ich sah etwas wie einen schwarzen Acker, tief in der Seele dieses Mannes. Auf diesen Acker fiel der Keim. Er muss ihn förmlich angezogen haben, so wie er versuchte, mich abzustoßen, weil unsere Kräfte sich nicht vertrugen. Dennoch konnte ich sehen, was aus dem Keim geworden ist. Er ist nicht einfach nur aufgegangen und erblüht…«
    »Sondern?«, fragte Strongtree bang.
    Old Man holte tief Luft. Sein Blick irrte umher, als müsse er nach den rechten Worten suchen. »Etwas ist daraus gewachsen«, sagte er dann. »Etwas Großes. Am ehesten noch mit einem Baum zu vergleichen, und doch anders, ungeheurer, monströser. So etwas habe ich noch nie gesehen. Aber was es auch sein mag, es ist in jedem Fall zu groß, zu kräftig und zu tief verwurzelt, als dass ich es hätte ausreißen und zerstören können. Ich habe es versucht…« Er hob die Hände, und die Augen auf seinen Fingerkuppen hatten sich geschlossen, die Handflächen indes waren rot zerschunden und wund. »Doch es war vergebens.«
    Strongtree sah auf den immer noch reglos daliegenden Mann hinab und hatte mit einem Mal das Gefühl, ihm sei eine viele Zentner schwere Last aufgeladen worden, unter der er zusammenzubrechen drohte.
    »Dann ist er also verloren?«, fragte er mühsam aus trockenem Halse.
    »Ich kann ihm zumindest nicht helfen«, antwortete Old Man etwas ausweichend.
    Strongtrees Bürde schien noch zuzunehmen.
    »Nicht mit meinen herkömmlichen Mitteln«, ergänzte Old Man.
    »Gibt es denn noch andere?« Leise und aus Verzweiflung geborene Hoffnung flackerte in Strongtree auf.
    »Keine, die ich kenne. Aber vielleicht kann man sie finden.« Old Man beugte sich über den Bewusstlosen. »Doch zuerst, denke ich, sollten wir mit Royce Bane darüber sprechen.«
    Er setzte den Daumen auf die Stirn des Mannes und wischte das Zeichen, mit dem er seinen Geist schlafend gehalten hatte, fort.
    Sofort schlug Royce Bane die Augen auf.
    So etwas wie eine Schrecksekunde schien er nicht zu kennen. Seine rechte Hand zuckte hoch wie eine angreifende Schlange, die Finger schlossen sich um Old Mans Kehle - und drückten zu!
    Doch Old Man reagierte nicht minder schnell.
    Er zeigte sein anderes Gesicht. Nur für einen Augenblick. Wie eine Spiegelung legte es sich über seine menschlichen Züge. Das Maul öffnete sich, fuhr auf Royce Bane zu und brüllte. So machtvoll, dass Kuppel und Boden erbebten.
    Dann war es vorbei, und Old Man war wieder ein Knabe mit dem gütigen Lächeln eines alten und weisen Mannes.
    Und Royce Bane zog die Hand zurück. Nicht erschrocken oder auch nur eingeschüchtert.
    Sondern beschämt ob seines Tuns.
    Ohne jedoch auch nur das Mindeste von alledem zu begreifen…
    ***
    Und daran änderten auch Old Mans Erklärungsversuche nicht viel. Wohl begann Royce Bane zu verstehen, wirklich begreifen indes konnte er es nicht. Zu fremd war alles, zu abstrakt vieles von dem, was Old Man ihm darlegte, trotz aller Anschaulichkeit, in der er es tat, gerade so, als versuche

Weitere Kostenlose Bücher