0749 - Hort der Wölfe
von hinten auf ihn zuraste!
Sein Versuch einer Ausweichbewegung kam zu spät.
Etwas schlug mit dumpf metallenem Klong! gegen seinen Hinterkopf, ein Laut wie ein Glockenschlag.
Die Glocke war sein Schädel, der Klöppel die gusseiserne Pfanne, in der Gaston Peverell ihm vorhin das Essen gebracht hatte. Und Royce Bane hatte das Gefühl, als zerspringe ihm das Gehirn in tausend Stücke.
Er merkte noch, wie seine Beine nachgaben, wie er sich um die eigene Achse drehte und zu Boden sackte.
Das Letzte, was er sah, war Gaston Peverells bedauernde Miene, und das Letzte, was er hörte, war seine Stimme, die mit französischem Akzent sagte: »Manche Leute muss man wirklich mit Gewalt zu ihrem Glück zwingen…«
***
»Darf's sonst noch etwas sein, Sir?«, fragte Ruth-Anne, während sie den Räucherfisch in Papier einschlug.
»Danke, ich bin noch nicht sicher«, antwortete er. »Ich sehe mich noch etwas um, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Vielleicht fällt mir dabei noch etwas ein.«
»Nur zu!« Ruth-Anne lächelte. »Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
Er erwiderte das Lächeln und trat in einen Gang zwischen zwei Regalreihen des Drugstores, ohne sich allerdings zu weit vom Schaufenster zu entfernen, weil das zur Straße wies und einen ungehinderten Blick auf die Stone Tavern gegenüber bot. Und das Stone interessierte ihn im Augenblick weitaus mehr als die gesamte Angebotspalette von Ruth-Annes Drugstore.
Nur dieser Aussicht auf das einzige Lokal und Hotel am Platze wegen hatte er den Laden überhaupt aufgesucht und hielt sich nun schon seit einer, wie ihm schien, kleinen Ewigkeit darin auf, während der er zur Tarnung mit Ruth-Anne über Belanglosigkeiten schwatzte, ganz jener Rolle entsprechend, in der er sich in Nameless ›eingeschmuggelt‹ hatte.
Als versponnener, wohlhabender New Yorker nämlich, der des Großstadtlebens überdrüssig war und sich mit geschlossenen Augen auf einer Landkarte wahllos eine Gegend herausgepickt hatte, in der er fortan leben wollte.
Diese Zufallswahl war auf British Columbia gefallen, wo er dann das Örtchen Nameless und ein leer stehendes altes Haus ausfindig gemacht hatte, in das er mit Sack und Pack, seinem schicken Automobil und ohne viel Federlesen eingezogen war. Und nun tat er so, als habe er sich nie im Leben irgendwo wohler gefühlt als eben hier.
Diese Rolle spielte er perfekt. So perfekt wie die Einwohner von Nameless die ihre.
Dem ahnungslosen Durchreisenden musste Nameless wie der Inbegriff eines abgeschiedenen Dorfes Vorkommen, um das Zeit und Weltgeschehen einen weiten Bogen machten. Nichts deutete darauf hin, was sich hinter dieser Fassade verbarg, was es mit den Menschen hier - oder jedenfalls den meisten von ihnen - auf sich hatte.
Auch der Jäger wäre nie darauf gekommen, hätte Lykandomus ihm nicht die Wahrheit offenbart - und ihn nicht gezwungen, den Pakt zu schließen und nach Nameless zu gehen…
Der vermeintliche Spinner aus New York schauderte bei dem bloßen Gedanken an den Herrn der Wölfe und dessen Grausamkeit, die ihn in der Tat noch weit über seine Untertanen erhob.
Er verscheuchte diesen Gedanken und behielt weiterhin, während er so tat, als studiere er das Sortiment des Drugstores, die Stone Tavern im Auge, vor der das Pferd des Mannes angeleint stand, den er vorhin aus dem Auto heraus wiedererkannt hatte, als dieser die Main Street hinabgeritten war.
Nun also befand sich jener Mann, den er in der vergangenen Nacht im Wald hatte liegen sehen, in Gastons Lokal -und der Jäger hatte sich ihn zum nächsten Opfer erkoren. Vor allem aus einem Grund: Weil dieser Mann ein Werwolf gewissermaßen von echtem Schrot und Korn sein musste - wenn der Keim ihn denn befallen hatte und auch aufginge. Und damit unterschied er sich von der Beute, die es hier sonst zu jagen gab, sodass es dem Jäger weniger Gewissensbisse bereiten würde, ihn zu erlegen.
Vor einem Weilchen hatten noch zwei Indsmen die Stone Tavern betreten, und selbst über die Distanz hatte er gespürt, dass es mit den beiden etwas Besonderes auf sich hatte. Nicht nur, weil er sie nicht kannte und sie demnach nicht in Nameless lebtèn.
Plötzlich dämmerte es ihm!
Konnte es denn möglich sein? Handelte es sich bei einem von den beiden etwa um jenen Old Man, von dem Lykandomus gesprochen hatte? Um die treibende Kraft hinter dem Geheimnis von Nameless, an den der Herr der Wölfe nicht herankam, weil uralte Mächte und Gesetze ihn banden?
»Na, das wäre ja…«, flüsterte der Gentleman aus
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