075 - Der Spinnenküsser
aus den Schäften von Gummibäumen geschnitzt waren.
Die Voodoo-Jünger bildeten einen Kreis um das flackernde Feuer. Die Trommler bearbeiteten mit ihren Handballen die Trommeln. Die Tänzer bewegten sich langsam, wurden aber von Minute zu Minute rascher.
Dann sprang ein ungewöhnlich großer Neger auf die Bühne. Er trug eine schaurige Holzmaske und einen schneeweißen Lendenschurz. Um seinen rechten Arm ringelte sich eine schwarze, dünne Schlange, die bösartig zischte. Der Maskierte mischte sich unter die Tanzenden.
Innerhalb weniger Augenblicke bewegte sich die Schlange nicht mehr. Der Maskierte blieb stehen und hob beide Hände. Die Trommeln verstummten. Der Maskierte wandte sich dem Publikum zu und streckte den rechten Arm aus. Mit der Linken zog er die Schlange vom Arm, packte sie am Schwanz und hob sie hoch. Das Tier bewegte sich noch immer nicht. Es sah wie eine gewaltige Spirale aus. Der Maskierte legte die Schlange auf den Boden und umtanzte sie. Das Trommeln setzte wieder ein, und die Schlange bäumte sich auf. Unter den beschwörenden Bewegungen des Maskierten erstarrte sie wieder.
Einer der Tänzer, ein einfacher Hungan, kniete vor der Schlange nieder. Mit beiden Händen strich er über den schuppigen Leib, hob ihn schließlich hoch und preßte den dreieckigen Schädel gegen seine Lippen. Die Schlange sah jetzt wie ein dünner Stab aus. Der Priester öffnete die Lippen und schob sich den Schlangenkopf in den Mund. Er preßte die Lippen zusammen. Die Schlange rührte sich nicht. Langsam zog er den Schlangenkopf wieder aus der Mundhöhle - und da geschah es. Für einen Augenblick erwachte die schwarze Schlange aus ihrer Lähmung. Der Kopf stieß zu, und die Giftzähne verbissen sich in der Unterlippe des Priesters, der einen entsetzten Schrei ausstieß und die Schlange einfach fallen ließ. Die Voodoo-Anhänger kamen näher. Der Maskierte bückte sich und hob die Schlange auf. Der gebissene Priester riß beide Arme hoch. Seine Unterlippe schwoll an, und er verdrehte entsetzt die Augen.
„Einen Arzt! Rasch!" rief der Maskierte.
Coco erkannte die Stimme. Der Maskierte war Guulf de Sylvain, der von seinen Anhängern Papaloa Boumba genannt wurde.
Ein Mann mit einem Arztkoffer stürmte auf die Bühne. Im Publikum entstand Unruhe.
„Da haben wir den zweiten Zwischenfall", sagte Coco.
„Ach was!" Harry winkte ab. „Die Schlange wachte für einen Augenblick aus der Trance auf - und da biß sie einfach zu."
Coco schüttelte den Kopf.
Der Arzt beugte sich über den Priester, der zu wimmern begonnen hatte. Schaum stand vor seinem Mund. Die Voodoo-Anhänger bildeten einen Halbkreis um den Verwundeten und verstellten dadurch die Sicht. Harry und Coco konnten nicht sehen, wie der Gebissene behandelt wurde.
Guulf de Sylvain riß sich die Holzmaske vom Kopf und trat zum Mikrofon.
„Meine Damen und Herren", sagte er mit fester Stimme. „Ich bedauere diesen Zwischenfall. Bis jetzt geschah es noch nie, daß eine beschworene Schlange zubiß. Ich habe keine Beweise, daß dafür ein Gegenzauber schuld war, aber ich vermute es. Es gibt Kräfte, die dem Voodoo feindlich gegenüberstehen. Und an diese Kräfte geht meine Warnung. Sollten die Feinde des Voodoo noch einmal so einen Zwischenfall provozieren, könnte es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung kommen. Ich hoffe, daß mich diejenigen, an die meine Warnung gerichtet ist, verstanden haben. Meine Damen und Herren, nach einer kurzen Pause setzen wir unser Programm fort."
Guulf de Sylvain verbeugte sich.
„Was sollen Ihre Worte bedeuten?" fragte ihn ein hagerer Mann.
Doch Guulf de Sylvain antwortete nicht. Er schrie seinen Anhängern einige Befehle zu. Die Trommeln und das Feuer wurde von der Bühne gebracht, der Verletzte mit einer Bahre abtransportiert. Die Unruhe im Saal legte sich, als der nächste Vortragende das Podium betrat. Es war ein ungewöhnlich gutaussehender junger Mann, der einen rot schillernden Anzug trug. Ein Teil des Publikums klatschte begeistert, als er sich vorstellte. Er nannte sich Sassi. Die Wirksamkeit der Magie - Praktische Beispiele hieß sein Vortrag.
Coco hatte schon einiges von Sassi gehört. Er war ein Mexikaner, der nicht zur Schwarzen Familie gehörte, sich aber trotzdem einige magische Fähigkeiten angeeignet hatte. Die Schwarze Familie tolerierte ihn. Es war sogar gelegentlich vorgekommen, das ihn mächtige Dämonen eingeladen hatten und sich heimlich über ihn lustig machten.
Sassi erzählte etwas über
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