0752 - Lauras Leichenhemd
Siebzehnjährige, sondern viel älter. Mindestens um fünf Jahre.
Laura fühlte sich wohl. Sie hätte lachen, jubeln und tanzen können, aber sie riss sich zusammen, denn sie wusste genau, dass sie kein Aufsehen erregen durfte.
Nur die Beherrschung konnte es bringen und natürlich die Konzentration auf das Kommando.
Noch hatte sich die andere Macht nicht gemeldet. Geschickt hielt sie sich zurück. Sie wartete ab, bis sich Laura an die neue Situation gewöhnt hatte.
Der Teenager tänzelte durch den Speicher. Laura fühlte sich gut, so beschwingt. Der im Prinzip schwere Stoff des Kleides fühlte sich leicht an, so dass der Vergleich mit einem Schmetterling durchaus zutraf. Ihre Welt war eine andere geworden, und Laura war sich dabei ihrer Stärke voll und ganz bewusst.
Vor den Kerzen blieb sie stehen.
Sie war nicht einmal außer Atem. Das Tragen des alten Kleides hatte ihr den neuen Mut und die Menge an Kraft gegeben, die über die eines Menschen weit hinausging.
Sie wartete.
Der mächtige Freund würde sich melden. So war es immer gewesen, so würde es immer sein.
Laura täuschte sich nicht. Plötzlich hörte sie die Stimme. Und wieder nur in ihrem Kopf.
»Es steht dir gut, liebe Laura!«
»Danke.« Noch immer überlegte sie, wie sie die Stimme einordnen sollte. Sie kam nicht darauf. War es ein männliches Wesen oder vielleicht ein weibliches?
»Ich bin auch sehr zufrieden mit dir!«
»Das freut mich.«
»Ja, du hast dich genau an meine Anweisungen gehalten. Du bist die einzig würdige Person, die mein Leichenhemd tragen darf.«
Laura hatte Mühe, um nicht zusammenzuschrecken. Was hatte die Unbekannte gesagt? Leichenhemd. Sie wiederholte das Wort und hörte das Echo eines leisen Gelächters durch ihr Hirn klingen.
»In der Tat, es ist ein Leichenhemd!«
»Aber wieso…?«
»Das brauchst du jetzt nicht zu wissen, liebe Laura. Du hast es übergestreift, und nur das zählt. Alles andere solltest du vergessen. Nun gehst du meinen Weg.«
»Ich gehe ihn gern«, gab sie zu. »Aber ich muss vorsichtig sein, wenn du verstehst.«
»Wie meinst du das?«
Laura wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Das unbekannte Wesen verfügte zwar über eine sehr große und übermenschliche Macht, aber alles schien es auch nicht zu wissen, und deshalb berichtete Laura von ihrem unguten Gefühl, das sie überfallen hatte, als sie vor einigen Stunden aus der Schule gekommen war. Sie hatte ziemlich oft an die beiden Männer denken müssen, und sie berichtete ihrem Beschützer davon.
Der hörte zu. Er ließ sich auch Zeit mit einer Antwort oder einer Erklärung. Schließlich aber tönte seine geheimnisvolle Stimme wieder durch ihren Kopf.
»Du kanntest einen von ihnen?«
»Ja, er ist der Vater eines Schülers. Ein geheimnisvoller Mann, der viel weiß.«
»Worüber?«
»Er ist in der Welt herumgekommen. Er kennt sich aus. Sein Sohn hat manchmal von ihm erzählt. Ich kann mir denken, dass er etwas bemerkt hat, obwohl er es nicht zugab.«
»Dann wirst du dich um ihn kümmern.«
»Um den Mann?«
Ihr Helfer lachte, und wieder dröhnte es durch ihren Kopf. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Hast du nicht selbst gesagt, dass er einen Sohn hat?«
»Soll ich ihn…?«
»Noch nicht heute, Laura, später. Heute Nacht wirst du noch einmal durch dein Haus gehen und sicherlich auch ein neues Menschenleben finden:«
»Das glaube ich.«
»Danach wirst du dich um andere Dinge kümmern.«
Sie nickte, obwohl ihr Helfer es nicht sehen konnte, wie sie annahm. Dann bestätigte sie, dieses Nicken durch die eigenen Worte.
»Ich glaube auch, dass es allmählich aufgefallen ist. Die Polizei ist nicht dumm. Es hat in unserer Familie zu viele Tote gegeben. Ich möchte keinen mehr. Ich werde das Haus verlassen und mir in der Dunkelheit der Nacht jemanden suchen, um das Leichenhemd zu stärken…«
»Das kannst du machen.«
»Danke.«
»Du brauchst dich nicht zu bedanken, liebe Laura. Du sollst nur wissen, dass ich dich immer beschützen werde und du von nun an voll und ganz auf meiner Seite stehst. Wir werden eine wunderbare Zeit miteinander haben, und du wirst sehen, dass es dir besser geht, wenn du an mich glaubst.«
»Das mache ich.«
»Dann lass ich dich jetzt allein. Und denke trotzdem daran, dass ich immer bei dir bin, denn du trägst ein Stück von mir an deinem Körper. Das darfst du nie vergessen. Wir gehören jetzt zusammen. Der eine muss sich auf den anderen verlassen können, so ist es richtig, und so wird es
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