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0752 - Lauras Leichenhemd

0752 - Lauras Leichenhemd

Titel: 0752 - Lauras Leichenhemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Dafür würde sie sorgen.
    »Komm her!«
    »Und dann?«
    »Komm her, Laura!«
    Sie überlegte. Die Gedanken wirbelten durch, ihren Kopf. Sie wusste nicht genau, was ihr Vater wollte, konnte sich aber vorstellen, dass er darauf bestand, ihr Kleid in die Hände zu bekommen.
    Und das wollte sie nicht zulassen.
    Sie setzte sich in Bewegung und umrundete die Kerzen. Dabei bückte sie sich und blies die Flammen aus. Jetzt brannte nur mehr das normale Licht auf dem Speicher.
    Umberto Saracelli passte es nicht, wie sich seine Tochter bewegte.
    In den letzten Sekunden hatte er über ihr Verhalten nachgedacht, und der Wutpegel in seinem Innern war um einige Prozente gestiegen. Er wollte die Sache zu einem schnellen Abschluss bringen. Bevor sich Laura ihm entziehen konnte, hatte er schon zugegriffen. Seine rechte Hand zuckte vor. Einen Moment später hatten seine Finger den Stoff berührt und drückten ihn zusammen. Er wollte seine Tochter zu sich heranzerren, doch es blieb beim Vorsatz. Plötzlich schrie er auf. Seine Hand löste sich, der Arm sank nach unten, und die Handfläche, die er nach oben drehte, um sie anzustarren, sah nicht mehr so aus wie noch vor einigen Sekunden.
    Sie war jetzt schwarz!
    Verbrannt…
    Saracelli holte tief Luft. Seine Augen quollen nach vorn. In den Blicken stand das reine Nichtbegreifen. Er konnte es einfach nicht fassen, was da mit ihm passiert, war. Er wusste auch, dass der Schmerz kommen würde, zuvor aber musste der Schock vorbei sein. Auch wusste er nicht, wo er zuerst hinschauen sollte. Auf seine Hand oder auf das irgendwie fremde und trotzdem wissend lächelnde Gesicht seiner Tochter, die sich so furchtbar verändert hatte.
    Er öffnete den Mund. Seine Augen zogen sich dabei zusammen.
    Auch das Gesicht verzerrte sich. Es spiegelte den Schmerz wider, der plötzlich durch seine Hand raste. Sie brannte so stark, als hätte er sie in reines Feuer getaucht. Tränen schossen in seine Augen, er wollte schreien, aber er hielt sich zurück.
    Saracelli wusste nicht, wie ihm geschah. Er sah seine Tochter, doch er nahm sie nicht richtig wahr. Erstens verschwommen, und zweitens bewegte sie sich seiner Meinung nach auf der Stelle. Dort drehte sie sich, als wäre sie von einem Kreisel angetrieben worden.
    Er ging zurück.
    Sie aber trat vor.
    Umberto wollte etwas sagen, aber der Schmerz überbrühte seine Worte. Sehr scharf und klar schaute er in das Gesicht seiner Tochter, das so unbewegt blieb, denn es zeigte nicht die Spur von Mitleid. Es blieb kalt und grausam.
    »Du hättest es nicht anfassen dürfen«, sagte Laura, und sie verband jedes Wort mit einem weiteren Schritt nach vorn.
    Umberto tat das Gegenteil.
    Er ging zurück.
    Er jammerte, er stöhnte, und er presste seine normale Handfläche gegen die gesunde.
    Laura aber ging weiter. Sie trieb ihren Vater zurück auf die offen stehende Tür zu.
    Nach wie vor blieb ihr Gesicht ohne Ausdruck. Nur in den Augen lag eine wahnsinnige Kälte, ein tödlicher Frost, der normale Menschen erschauern lassen musste.
    Auch Umberto sah dies.
    Er hatte Angst.
    Aber er ging weiter.
    Er wollte mit Laura reden und sie fragen, was, um Gottes willen, aus ihr geworden war.
    »Geh, Vater, geh! Weg mit dir, Papa!« Sie kicherte schrill und trieb den Mann weiter zurück.
    Er marschierte durch die Tür.
    Dann ging es weiter.
    Umberto hatte vergessen, dass sich hinter der Tür die Treppe befand. Nur zwei Schritte musste er noch gehen, um sie zu erreichen.
    Jetzt hätte er sich eigentlich umdrehen müssen, was er nicht tat.
    Rückwärts ging er weiter, und das war sein Verhängnis.
    Umberto Saracelli übersah die erste. Stufenkante. Das genau wurde ihm zum Verhängnis.
    Er kippte nach hinten.
    Dann fiel er.
    Schwer schlug er auf. Er hatte den Mund weit geöffnet, er prallte mit Rücken auf die Wand, driftete beim Aufprall ab, er berührte das Geländer, er scheuerte darüber hinweg, und Laura, die stehen geblieben war, erlebte den Fall ihres Vaters wie in einem Zeitlupentempo, mit.
    Sie beobachtete ihn genau. Sie hörte jeden einzelnen Aufprall. Die dumpfen Echos wehten ihr entgegen, und sie glaubte auch, das Brechen oder Knacken von Knochen zu hören.
    Dann hatte Umberto die letzte Stufe erreicht. Er rollte auch darüber hinweg, blieb liegen, verkrümmt sogar, als hätte jemand ein Kunstwerk in den Flur der ersten Etage gelegt, das sich nicht mehr rührte und von den Betrachtern umgangen werden sollte.
    Stille. Das Lächeln auf Lauras Gesicht. Der Schritt nach hinten. Sie

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