0752 - Lauras Leichenhemd
wusste, was sie tun musste. Der Krach war bestimmt gehört worden, aber sie hatte nicht mehr die Zeit, in ihr Zimmer zu laufen.
Auf dem Flur riss jemand eine Tür von innen auf. Sofort danach stürmte Marion Saracelli in den Flur. Sie machte auch Licht. Es war brutal, denn die Lampe schickte ihre Strahlen direkt auf den bleichen, reglosen Körper, dessen Kopf nach rechts gedreht war, wobei die Augen weit offen standen.
Sie waren ohne Leben. Das sah auch Mrs. Saracelli. Im nächsten Augenblick schrie sie ihren Schmerz hinaus. Oben aber schlüpfte Laura aus dem Kleid. Sie legte es in die Truhe.
Dabei lächelte sie…
***
Warten, dieses verdammte Warten!
Wie ich es hasste, und besonders dann, wenn ich nicht sicher war, ob überhaupt etwas dabei herauskam. Ich wusste nichts mehr und ging allmählich davon aus, dass ich mir die Stunden hier umsonst um die Ohren schlug, denn oben im Haus hatte sieh nichts verändert.
Sicherlich schlief die Familie, was ich ihr auch gönnte. Wenn ich allein nur an Schlaf dachte, wurde auch ich müde und konnte nicht vermeiden, dass ich hin und wieder für eine kurze Zeitspanne einnickte.
Immer wurde ich aus diesem Sekundenschlaf schreckhaft hervor gerissen, schaute dann zum Haus hin und bekam den Adrenalinstoß mit, als ich feststellte, dass sich etwas verändert hatte. Schlagartig war die Müdigkeit verflogen.
Unter dem Dach brannte Licht.
Das Haus gehörte zu den älteren Bauwerken, hatte auch noch die alten Dachfenster und schmale Schrägen, die man von innen hochschieben musste, um das Fenster zu öffnen.
Der Ausschnitt war erhellt. Dort oben tat sich etwas. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Wenn es jedoch nach Mitternacht passierte und wenn ich es in einen Zusammenhang mit den Todesfällen der Familie brachte, dann war es schon seltsam, und ich kam zu dem Entschluss, dass ich mich darum kümmern musste.
Ich rieb mir die Augen, schüttelte den Kopf, atmete einige Male tief durch und war wieder hellwach.
Meine Blicke ließ ich auch über die Straße gleiten und durchforstete die nähere Umgebung.
Es hatte sich nichts verändert.
Noch immer parkte ich allein auf dieser schmalen Straße. Es war auch niemand zu Fuß unterwegs. In dieser Gegend schlief man und bereitete sich auf den nächsten Tag vor.
Im Haus geschah nichts.
Das Licht brannte weiter. Ich entdeckte auch keinen Schatten, der sich in dem Fensterausschnitt bewegte. Alles kam mir normal vor, so unverdächtig.
Das aber war es nicht.
Ich hörte den Schrei!
Es war ein Ruf, der mir sehr weit entfernt vorkam und trotzdem schrill, grell und markerschütternd. So reagierte nur jemand, der sich in höchster Panik befand.
Ich wusste auch, wo die Quelle des Schreis lag. Schräg gegenüber, im Haus der Saracellis.
Ich stemmte die Tür des Wagens auf. Als ich die Straße betreten hatte, hörte ich ihn noch einmal.
Diesmal leiser, dann kippte er ab, wahrscheinlich endete er in einem Schluchzen.
Drei Tote hatte es bei den Saracellis bereits gegeben. Jetzt musste ich davon ausgehen, dass noch ein vierter Toter hinzugekommen war. Und ich hatte es nicht verhindert, obwohl ich in der Lage gewesen wäre. Ich hätte eben nicht im Wagen bleiben sollen.
Mit langen Schritten hetzte ich über die Straße. Der Schrei hatte nur mich alarmiert, in den Nachbarhäusern tat sich nichts. Da blieb alles still und dunkel.
Ich erreichte die Haustür, die natürlich verschlossen war. Ein Schloss war zwar vorhanden, aber auch ein Knauf, der sich nicht drehen ließ. Aufschießen wollte ich das Schloss nicht, deshalb hämmerte ich mit den Fäusten gegen das harte Holz. Wenn das nichts half, würde ich eine Scheibe einschlagen und durch ein Fenster im Erdgeschoss klettern.
Dazu kam es nicht.
In einer Klopfpause fielen mir die hastigen Schritte auf, die sich der Tür näherten. Einen Moment später wurde sie geöffnet, und ich schaute in das erschreckte und auch verweinte sowie verschlafene Gesicht eines dunkelhaarigen Mädchens. Es musste eine von Lauras Schwestern sein.
Ich drückte die Tür mit auf. Die Kleine trat zurück und auch zur Seite.
Dabei sagte sie Worte, die mir unter die Haut gingen und eine Gänsehaut erzeugten.
»Papa ist tot…«
Ich stand für einen winzigen Augenblick wie festgebacken. Das Gefühl, versagt zu haben, durchpeitschte mich. Das Mädchen schaute mich an, es zitterte. Ich hätte ihm so gern geholfen, aber verdammt noch mal, es war mir nicht möglich. Ich konnte seinen Vater nicht wieder lebendig machen,
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